Türkei: Gewalt gegen Journalisten nimmt zu /mindestens acht Journalisten verhaftet

Türkei: Gewalt gegen Journalisten nimmt zu /mindestens acht Journalisten verhaftet

In der Türkei sind am vergangenen Sonntag mindestens acht Journalisten kurzfristig verhaftet worden, die sich in der Gegend um den Istanbuler Gezi-Park aufhielten, um über die dortige Protestbewegung bzw. deren Auflösung seitens der Polizei zu berichten.

Seit der Zerschlagung der Proteste im Gezi-Park durch die Polizei am 15.Juni ist es vermehrt zu Gewalteskalationen zwischen der Polizei und den Demonstranten, aber auch gegen Journalisten gekommen. Polizei und Sicherheitskräfte verwehrten Journalisten während der Räumung den Zutritt zum Park. Auf dem nahegelegenen Taksim Platz hatten nur Journalisten mit Presseausweis Zutritt. Zahlreiche Journalisten wurden von der Polizei gezielt verletzt oder inhaftiert.

Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die zunehmende Gewalt gegenüber Journalisten sowie die willkürlichen Verhaftungen jener, die die aktuellen Konfrontationen der Bürger mit der Polizei in der Türkei zu dokumentieren versuchen.


“Wir fordern einen sofortigen Stopp der illegalen Verhaftungen”, so Reporter ohne Grenzen. “Die Verantwortlichen Stellen müssen ein solches Verhalten bei ihren Mitarbeitern strafrechtlich verfolgen, anstatt in hetzerischen Ansprachen Verhaftungen von Journalisten anzufeuern und Journalisten und Medien als Landesverräter darzustellen”, so ROG weiter. Am Sonntag beschuldigte Ministerpräsident Erdogan die internationalen Medien einer einseitigen Berichterstattung und drohte, alle jene zu bestrafen, die provozierende oder falsche Nachrichten in den Medien oder in sozialen Netzwerken verbreiteten.

Gewalt gezielt gegen Journalisten

Auch die überbordende Gewalt gegenüber Journalisten sei besorgniserregend, so ROG. “Das sieht für uns nach einem Rachefeldzug aus, nicht nach Vollstreckung der Gesetze”. Dass Journalisten in der Türkei angegriffen, geschlagen und von der Arbeit abgehalten werden statt sie zu schützen, sei völlig inakzeptabel, so ROG.

In der Hauptstadt Ankara setzte die Polizei nach Angaben einiger Zeugen Tränengas gegen Journalisten ein, die einen Protestzug am vergangenen Wochenende auf dem Kizilay Platz dokumentieren wollten.

Der Reporter Gökhan Bicici und der Kameramann Okan Altunkara des pro-kurdischen TV- Senders “IMC” sowie die Journalisten Ferhat Uludaglar und Ugur Can von der Nachrichtenagentur “Dogan” wurden am Sonntag in Istanbul verhaftet. Ebenso der Kameramann Emre Fidan vom TV- Sender “Ulusal Kanal” und Aslan Sahan von der Tageszeitung “Aydinlik”. Auch die italienische freie Journalistin Daniele Stefanini befindet sich mit Verletzungen in Haft.Teilweise nehmen die Polizeikräfte Journalisten Gasmasken ab und konfiszieren Ausrüstung.

Material zerstört

Foto- und Videomaterial wird oftmals zerstört.So musste der Fotojournalist Cem Türkel (Abendzeitung “Aksam”) Fotos löschen, die er von den Kämpfen im Bezirk Harbiye nahe des Taksim Platzes, gemacht hatte. Ein freier Journalist aus Großbritannien erklärte gegenüber Reporter ohne Grenzen, er sei am Sonntag für drei Stunden inhaftiert worden und bekam seine Kamera und sein Mikrofon von der Polizei erst nach Löschung aller Dateien zurück. Sein Notebook und seinen Presseausweis erhielt er nicht zurück.

Dass die Gewalt gegenüber Journalisten kein Zufall sei, berichten auch die Fotografen Eylem Düzyol und Fulya Atalay, die von der Polizei in Istanbul mit Gummiknüppeln attackiert wurden. Sie hätten bereits den ganzen Tag in Sichtweite der Polizei gearbeitet und auch ihre Presseausweise gezeigt, berichteten sie gegenüber Reporter ohne Grenzen. Trotzdem schlugen die Polizisten weiter auf sie ein.

Auch ausländische Journalisten betroffen

Auch ausländische Journalisten sind von der Gewalt betroffen. Der russische Journalist Arkady Babchenko wurde am 14.Juni unter Gewaltanwendung verhaftet, weil er Fotos auf dem Taksim Platz machte. Er wurde verletzt, befindet sich mittlerweile aber wieder außer Haft. Die russische Journalistin Alexandra Bondarenko vom TV- Sender “Russland Heute” wurde von einem Gummigeschoss verletzt, während die portugiesische Journalistin Paula Moura von der Tageszeitung “Publico” am Sonntag von der Polizei zusammengeschlagen wurde.