Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die 13-monatige Gefängnisstrafe und Bußzahlung von 8.660 Lira (1.400 Euro), die ein Gericht in Istanbul gestern gegen Pelin Ünker verhängt hat. Die Journalistin ist an den Aufdeckungen der „Paradise Papers“ beteiligt. „Dass man investigativen Journalismus kriminalisiert, ist nicht hinnehmbar“, zeigt sich Rubina Möhring, Präsidentin von ROG, entsetzt und appelliert für einen Freispruch.
Das Gericht verurteilte Pelin Ünker wegen „Beleidigung und Verleumdung“, weil sie im November 2017 berichtet hatte, dass der damalige Premierminister Binali Yildirim und seine beiden Söhne in Malta Unternehmen gegründet hätten, um Steuern zu vermeiden. Ihre Berichterstattung wurde in der noch existierenden, regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet veröffentlicht, für die sie damals arbeitete und die an den Recherchen zu den Paradise Papers teilnahm.
Das Gericht weigerte sich nach der Anhörung, an der Reporter ohne Grenzen teilnahm, die Gefängnisstrafe von Ünker auszusetzen. Begründet wurde das damit, dass sie während des Prozesses keine Reue gezeigt habe und dass das Gericht daher nicht davon überzeugt sei, dass sie nicht erneut dasselbe „Verbrechen“ begehen würde.
„Journalismus ist kein Verbrechen“, stellt Möhring klar. „Die Verurteilung Ünkers zeigt, dass die türkischen Behörden weiterhin Investigativjournalisten verfolgen. Das ist nicht nur gefährlich für Journalisten vor Ort, das ist eine Bedrohung für die gesamte Zivilgesellschaft. Dass über Missstände berichtet wird, liegt im Interesse der Allgemeinheit.“
Ünkers Anwälte versuchten erfolglos, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Berichterstattung über Investitionen des ehemaligen Premierministers und die Vorkehrung zur Steuervermeidung seiner beiden Söhne dem öffentlichen Interesse dienen.
Ünker will Berufung gegen die Strafe einlegen. Bei Bestätigung des Urteils drohen ihr 13 Monate Haft.
Die Türkei befindet sich auf Rang 157 von 180 Ländern der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.