Österreich – Angriff auf ORF-Korrespondenten

Österreich – Angriff auf ORF-Korrespondenten

Nach zahlreichen Angriffen auf den öffentlichen Rundfunk ORF und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten Wochen vor allem durch die rechtspopulistische Regierungspartei FPÖ, kehrt auch jetzt keine Ruhe ein. Zuvor hatte sich die Situation bereits durch Diskussionen um die Finanzierung sowie persönliche Attacken auf Journalistinnen und Journalisten bereits zugespitzt. FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger droht nun mit der Entlassung von JournalistInnen. „Diese Art von Einschüchterung von Journalistinnen und Journalisten ist zutiefst antidemokratisch und gefährdet die Informationsfreiheit massiv“, warnt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.


Der FPÖ-Stiftungsrat im ORF, Norbert Steger, verschärfte in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten nochmal die angespannte Diskussion rund um den ORF. Steger forderte von den neuen Senderchefs „Schritte in eine objektivere Berichterstattung” setzen zu müssen. Wenn nicht, drohte er damit, ein Drittel der Auslandskorrespondenten zu streichen, „wenn diese sich nicht korrekt verhalten“. Als Beispiel dafür nannte er die Ungarn-Wahl, bei der die Berichterstattung einseitig gewesen sei. Die FPÖ ist mit Fidesz, der Partei von Viktor Orban befreundet und empfand die Berichte als zu orbankritisch. Außerdem drohte Steger mit Entlassungen bei Verstößen gegen Social Media-Richtlinien. Laut Redakteurssprecher Dieter Bornemann ist diese Richtlinie den ORF-Mitarbeitern noch nicht einmal bekannt gemacht worden, einen Verstoß dagegen schon im Vorhinein bestrafen zu wollen, diene der Förderung von Angst unter Journalistinnen und Journalisten.

ORF-Direktor Alexander Wrabetz reagierte trocken. Die Entsendung von Korrespondenten sei nicht Sache des Stiftungsrates und auch nicht der Regierung. Den Vertrag mit Budapest-Korrespondent Ernst Gelegs habe er nach der ausgezeichneten Berichterstattung bei der Ungarn-Wahl bis 2021 verlängert. Die 16 Korrespondentenbüros seien unverzichtbare und geschätzte Säulen der Berichterstattung. Im Gegenteil sei bis 2020 noch der Ausbau um zwei weitere Büros geplant.

Der ORF-Redakteursrat fand schärfe Worte für die Drohungen von Steger: „Steger zeigt in diesem Interview ein seltsames Verständnis von Pressefreiheit: Als Mitglied des ORF-Aufsichtsorgans geht es ihm offensichtlich vor allem um die Durchsetzung von Parteiinteressen. Parteienvertreter wollen beurteilen, wie Berichterstattung auszusehen hat. Kritische RedakteurInnen sollen mundtot gemacht werden.“ Nichts von den Drohungen Stegers habe etwas mit sachlicher Kritik zu tun, sondern sei Teil eines systematischen Versuchs, die Glaubwürdigkeit des ORFs zu untergraben. So ein Vorgehen schade dem Journalismus und der Politik insgesamt. „Korrespondenten aber aus partei-politisch motivierten Gründen mit der Streichung ihrer Stellen zu bedrohen, ist ein direkter Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ein neuerlicher Tiefpunkt der Medienpolitik“, resümierte der Redakteursrat.

Die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, Rubina Möhring, äußert sich dazu ähnlich: „Es ist für eine Demokratie von Bedeutung, welche Einstellung Regierungsmitglieder zu freier Presse haben. Die Äußerungen, die wir zuletzt von Seiten der FPÖ gehört haben, dienen unserer Ansicht nach der Einschüchterung von einzelnen Journalistinnen und Journalisten, sowie der Verminderung des Ansehens von unabhängigem Journalismus, besonders des ORFs, in der Bevölkerung. Beides ist in einer Demokratie nicht angebracht und aufs Schärfste zu verurteilen.“ Möhring kritisiert aber nicht nur die Äußerungen durch FPÖ-Politiker, sondern vermisst eine Stellungnahme durch den Regierungspartner. Die konservative ÖVP unter Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich bisher zu keinem der Vorfälle geäußert.
Reporter ohne Grenzen begrüßt die Verlängerung des Vertrages des ORF-Korrespondenten in Ungarn, Ernst Gelegs, dessen Absetzung von Steger und seiner Partei wegen dessen orbankritischer Berichterstattung gefordert worden war.

Zahlreiche ORF-Journalisten hingegen meldeten sich zu Wort. „Ein ORF-Stiftungsrat, der gegen sein eigenes Unternehmen hetzt und einen untadeligen Kollegen erkennbar bedroht, wird uns als Redakteurssprecher der ORF-KorrespondentInnen selbstverständlich beschäftigen“, meinte etwa Brüssel-Büroleiter und Redakteurssprecher der ORF-Korrespondenten Peter Fritz. Nach einer Presseaussendung von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, in der er eine Entschuldigung für die Äußerung forderte, ruderte Fritz zurück. Er habe nicht vorgehabt, Herrn Steger einen strafbaren Vorwurf zu machen und bitte um Entschuldigung. Kollegen gegen Angriffe in Schutz zu nehmen, halte er aber für wichtiger denn je.

Auch das bekannteste Gesicht des ORF, ZIB-Moderator Armin Wolf, der in der Vergangenheit persönlich von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache attackiert worden war, meldete sich zu Wort. Ein Politiker sei keine geeignete Instanz, um die Objektivität von Journalismus zu beurteilen, so Wolf.
In der Vergangenheit war Wolf bereits von Norbert Steger kritisiert worden: ein Interview mit Bundeskanzler Sebastian Kurz von Wolf und Kollegin Claudia Reiterer hatte Steger als „unbotmäßig“ bezeichnet.

 

 

>> English version of this report