Spiel mit dem Feuer: Rosenkrieg zwischen Macht und Informationsfreiheit

Spiel mit dem Feuer: Rosenkrieg zwischen Macht und Informationsfreiheit

Blog von Rubina Möhring

Die Überwachung von Mobiltelefonen wird auch in den demokratiebewussten, westlichen Industriestaaten salonfähig

Nun ist es also soweit: staatliche Kotrolle über Mobiltelefone wird auch in den demokratiebewussten, westlichen Industriestaaten salonfähig. Nur so ist die Ankündigung des kanadischen Blackberry-Hersteller RIM – Research in Motion – zu verstehen, mit den britischen Behörden bei Ermittlungen zu den aktuellen, außer Rand und Band geratenen, sozialen Unruhen in Großbritannien zu kooperieren.

Aus der Traum von vertraulicher Kommunikation und freiem Informationsaustausch. Schließlich waren Menschen zu Tode gekommen, Häuser in Brand gesetzt und Geschäfte geplündert worden. Kriminelle Trittbrettfahrer hatten den gesellschaftlichen Konflikt verschärft. Die Kommunikation unter allen Agierenden erfolgte weitgehend über BlackBerrys. Die Vernetzung lief also – eingedeutscht – über Brombeer-Mundpropaganda.


Die Regierung in London sagt sicher nicht nein zu solch einem RIM-Angebot. Könnten die staatlichen Sicherheitsbehörden doch auf diesem Weg flugs auch Zugang zu den verschlüsselten, privaten Daten des Kurznachrichtendienstes der Brombeer-Smartphones erhalten. Ein Staat schafft sich so leichter Hand die Kontrolle über seine Bürger.

Es ist ein gefährliches, ein zynisches Spiel mit dem Feuer, das da betrieben wird. Eine politische amour fou einer Regierung, in der nicht wenige Millionäre die Geschicke des Landes leiten: hörig einem einäugigen Law and Order-Denken, schwerhörig gegenüber den Nöten einer vernachlässigten, mittel- und damit zukunftslosen gewordenen “Unterschicht”, die sich nun gewaltsam Gehör schaffte.

Das BlackBerry-Offert mag einem vordergründigen Sicherheitsbedürfnis dienen. So kann zwar das soziale Problem nicht aus der Welt geschafft werden, doch die Regierung kann Autorität vermitteln und Angst einflößen.

Angst in Sachen Demokratiepolitik macht allerdings auch erfinderisch. In China tricksen inzwischen Twitter-ähnliche Kurznachrichtendienste die staatlichen Überwachungsbehörden aus: Mikroblogger genannt Weibos. 485 Millionen Internetbenutzer gibt es im ganzen Land. Fast jeder zweite ist ein Weibo. Was immer im Land geschieht, es wird über das Netz sofort mitgeteilt und transparent gemacht.

Weibo, das ist ein Bürger, der die staatliche Zensur umgeht, um auf Missstände hinzuweisen. Der Applaus seitens der Gesellschaften westlich der chinesischen Mauer ist ein demokratiebewusster Bringschuld-Reflex. Auf einem anderen Blatt steht die finanzpolitische Sollschuld gegenüber der Wirtschaftsmacht China und damit auch die ambivalente Bereitschaft, sich notfalls für Weibos in aller Konsequenz einzusetzen.

Wie vor allem werden die Politiker traditioneller Demokratien selbst reagieren, wenn sich auch in ihren Gesellschaften unkontrollierbare Weibos etablieren? Auch solche, die weit rechts der Mitte auf Teapartys Altbackenes auftischen. Offen bleibt zugleich die Frage, inwieweit die Regierungen dazu bereit sind, nachhaltig darüber nachzudenken, was in ihren Gesellschaften aus dem Ruder geraten ist und daraus entsprechende demokratieorientierten Schlüsse zu ziehen.

Blackberries, Brombeeren, sind kaum beherrschbare, wild wuchernde, Rosengewächse. Ein Graus für jeden Hobbygärtner. Ist seit den Unruhen im demokratischen Vorzeigeland Großbritannien ein genereller Rosenkrieg zwischen Regierung und Informationsgesellschaft angesagt? Hier Staat, dort das Recht auf Information und Meinungsfreiheit.

Der Iran will Ende August ein nationales Internet installieren. Keine Informationen von außen sollen mehr das Land erreichen. Keine Informationen von innen sollen mehr das Land via Internet verlassen. Die New Yorker Stadtregierung will seine Einwohner mit einem obligatorischen SMS-Warnsystem beglücken, dem sich kein Handybesitzer entziehen kann. Orwell lässt weltweit grüßen.