Ö1 für Liste des immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen

Ö1 für Liste des immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen

Ö1 für Liste des immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen

Liebe UnterstützerInnen der Pressefreiheit!

Die IG Autorinnen Autoren hat einen Antrag bei der österreichischen UNESCO-Kommission zur Aufnahme des Kultursenders Ö1 in die Liste des immateriellen Kulturerbes eingebracht. Reporter ohne Grenzen  (RSF) Österreich setzt sich über die Initiative Wir für den ORF aktiv für die Erhaltung von Qualität und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein. Wir begrüßen daher den Vorstoß der IG Autorinnen und Autoren und stellen Ihnen hier das offizielle Schreiben zur Information zur Verfügung.


An die österreichische UNESCO-Kommission:

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin Dr. Sabine Haag
Sehr geehrte Frau Generalsekretärin Mag. Patrizia Jankovic
Sehr geehrte Frau Mag. Gabriele Detschmann
Sehr geehrte Damen und Herren!

Antrag zur Aufnahme des Kultursenders Ö1 in die Liste des immateriellen Kulturerbes

Ö1 ist einer der renommiertesten Hörfunk-Sender der Welt, er vereint Information, Wissen, Bildung, Kultur und Religion in einer in und für Österreich einzigartigen Zusammenstellung. Ö1 ist darüber hinaus das – von der Gründung des Rundfunks an – historische akustische Wissen über Österreich und der wichtigste akustische österreichische Kulturbotschafter des Landes weltweit. Ö1 ist im besten aller Sinne öffentlich-rechtlicher Rundfunktätigkeit vollkommen werbefrei, auch das zeichnet ihn gegenüber allen anderen Sendern aus.

Der Bestand von Ö1 ist akut gefährdet. Anfang dieses Jahres wurde die Ö1-Religion aus dem Verbund von Ö1 herausgelöst und der Fernsehreligion angegliedert. Ähnliche Zukunftsaussichten bestehen auch für die anderen Ressorts bzw. Redaktionen von Ö1. Diese Entwicklungen stehen in enger Verbindung mit der Auflösung des ehemaligen alleinigen ORF-Standortes, des Wiener Funkhauses, das bis auf Restbestände aufgegeben werden soll. Maßgeblich für all diese Entscheidungen sind kaufmännische Überlegungen bzw. kommerzielle Gründe, trotz gesicherter Einnahmen durch die ORF-Gebühr.

Es ist allein durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag und ORF-intern ganz offensichtlich nicht möglich, den Bestand und die Aufgaben von Ö1 ausreichend zu schützen. Wäre das möglich gewesen, hätte es weder die Loslösung der Religion von Ö1 und die Angliederung an die Fernsehreligion geben dürfen, noch würde Ö1 als Ganzes dieses Szenario drohen. Es herrscht ganz offensichtlich kein oder ein zu geringes Bewusstsein über den Wert von Ö1 bei den politisch und medial Verantwortlichen.

Ö1 ist dank seiner aktuellen Informationssendungen mit ihrem wissenschaftlichen und kulturellen Hintergrund die wichtigste demokratie- und bildungspolitische Einrichtung Österreichs. Ö1 baut auf Eigenproduktionen auf und ist nicht die Abspielstation eingekaufter Programme. Ein entsprechendes Aussehen hat das redaktionelle Innere von Ö1, es gibt zuständige Redakteure/innen und Abteilungen, Spezialist/inn/en der Wissenschaft, Bildung und Kultur, die der Programmerstellung von und für Ö1 dienen, eine Struktur, wie man sie in den Regionalprogrammen des ORF nicht mehr findet, wo keine Literaturabteilungen mehr bestehen. Auch in dieser Hinsicht ist Ö1 einzigartig. Wie lange noch, lässt sich nicht sagen, da eines der weiteren ökonomischen Ziele des ORF der Abbau von 300 Mitarbeiter/inne/n in den nächsten Jahren ist.

Genau dieser Mitarbeiter/innenabbau hat schon in den Bundesländerstudios zur Verwaisung der Literatur- und Kulturredaktionen geführt, die sich damit mehr oder weniger von selbst aufgelöst haben.

Nicht zuletzt ist Ö1 der wichtigste Partner österreichischer Kunst- und Kulturschaffender, Wissenschaftler und Publizisten und der wichtigste österreichische Kunst- und Kulturvermittler, für die es von elementarer Bedeutung ist, welches Aussehen die Programmproduktion und Sendetätigkeit von Ö1 hat.

Wir stellen somit den Antrag, Ö1 in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.

Es geht nicht darum, Ö1 auf seine zurückliegende Bedeutung zu reduzieren, auch nicht auf seine jetzige, es geht darum, die Verbindung zwischen österreichischer Rundfunkgeschichte und der Gegenwart und Zukunft von Ö1 zu halten und bewahren.

Auch den Wiener Heurigen bzw. der Wiener Heurigenkultur ist mit der Aufnahme in die immaterielle Kulturerbeliste keine Musealisierung zuteil geworden, sondern sie werden in ihrem Bestand als besonders schützenswertes Gut gesehen, mit Tradition und Geschichte und ihrer höchst lebendigen Gegenwart. Was für die Wiener Heurigenkultur Gültigkeit hat, sollte doch erst recht auf einen weltweit so einzigartigen Sender wie Ö1 zutreffen.

Die IG Autorinnen Autoren hat 2017 zum 50. Geburtstag einen Jubiläumsgeschenksband für Ö1 mit dem Titel „Funkhausanthologie“ zusammengestellt, den wir Ihnen gemeinsam mit unserem Antrag (per Post zugeschickt) zur Untermauerung unseres Antrages überreichen.

Weiters möchten wir Sie auf einen aktuellen Film aus dem Jahr 2019 hinweisen, den Film „Gehört gesehen – Ein Radiofilm“, der das von uns Angeführte ebenfalls unterstreicht (https://www.geyrhalterfilm.com/gehoert_gesehen).

Wir hoffen auf eine positive Aufnahme und Behandlung und stellen bei Bedarf gerne weitere Materialien zur Verfügung. Wir sind selbstverständlich auch jederzeit bereit, weitere notwendige Schritte, sollten sie erforderlich sein, zu setzen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Ruiss
IG Autorinnen Autoren
Lt. Beschluss der Generalversammlung
Wien, 23.2.2020