Nigerianische Reporter unter dem Druck allmächtiger Gouverneure

Nigerianische Reporter unter dem Druck allmächtiger Gouverneure

Seit Anfang 2016 verzeichnete Reporter ohne Grenzen (ROG) in Nigeria mehr als 70 Fälle von Gewalt gegen JournalistInnen und Medienhäuser. Die Zerstörung des Senders Breeze FM in der Hauptstadt Abuja vergangene Woche ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, welchem Klima von Gewalt und Instabilität JournalistInnen in Nigeria ausgesetzt sind. Reporter ohne Grenzen ist über die Gewalt gegen JournalistInnen entsetzt und erinnert Präsident Muhammadu Buharis‘ Regierung an ihre Verpflichtung, für Informations- und Pressefreiheit zu sorgen.

„Die Methoden, mit denen versucht wird, Journalisten in Nigeria zum Schweigen zu bringen, sind absolut inakzeptabel“, meint die Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen Österreich, Rubina Möhring. „Wir fordern Präsident Muhammadu Buhari auf, die Maßnahmen seiner Regierung zu stoppen und dieses Klima der Angst und der Gewalt zu beenden.“

Der Sender Breeze FM, der seit Februar on air war, wurde am 20. Mai mit der Begründung, er habe eine fälschliche Genehmigung zum Betrieb erhalten, in nur einem einzigen Tag abgerissen. Um Protestierende zu zerstreuen, schoss die Polizei in die Luft – die JournalistInnen waren aufgrund dessen nicht in der Lage, die Zerstörung ihres Senders zu dokumentieren.

„Der übliche Prozess wurde nicht eingehalten“, erzählt der Direktor von Breeze FM, Nawani Aboki, der Daily Trust. „Die Zerstörung erfolgte, weil ich nicht derselben politischen Partei angehöre wie der Gouverneur. Er hat Angst, dass der Sender seine politischen Ambitionen nicht unterstützen könnte. Einer der Gründe ist, dass ein Bericht über die anhaltenden Streiks im Land ausgestrahlt wurde.“

Der Sender strahlte am 1. Mai außerdem eine Debatte aus, in der Gäste den Verzug von Gehaltszahlungen an Staatsangestellte in Nasarawa, einem östlich an Abuja angrenzenden Bundesstaat, kritisierten.

Der Abriss des Senders Breeze FM war nicht der erste Angriff auf Medien durch den Gouverneur von Nasarawa, Umaru Al-Makura. Mehrere JournalistInnen sind im Visier: Der Korrespondent der Zeitung Punch, Uma Muhammed und der Journalist der Website Universal Reporters, Rabiu Omaku, wurden vergangenen September aus dem Regierungsgebäude von Nasarawa geworfen und mit einem Hausverbot belegt, weil sie kritische Artikel über den Gouverneur veröffentlicht hatten. Im November wurde ihnen lebenslänglich untersagt, über Aktivitäten der Regierung Nasarawas zu berichten.

Allmächtige Gouverneure

Solch willkürliche Verfahren sind leider alltägliche Erfahrungen für JournalistInnen in Nigeria. Die weitreichende Autonomie und das hohe politische Gewicht der Gouverneure in ihren Bundesstaaten erlaubt es ihnen, beinahe straffrei gegen lokale Medien vorzugehen. Dadurch gibt es auch eine Fülle von mehr oder weniger offiziellen Maßnahmen, die zum Ziel haben, KritikerInnen zum Schweigen zu bringen.

Die Bundesstaaten mit den meisten Verletzungen der Medienfreiheit sind das Hauptstadtterritorium von Abuja im Herzen des Landes mit 16 Fällen seit Anfang 2016, Lagos im Südwesten mit neun Fällen, Bayelsa im Süden mit vier und Rivers im Südosten des Landes mit ebenfalls vier Fällen. Insgesamt wurden in 24 der 38 Staaten von Nigeria Verletzungen der Medienfreiheit oder Gewalt gegen JournalistInnen verzeichnet.

Obwohl mit großem Aufsehen im Jahr 2011 eine Verordnung zur Informationsfreiheit angenommen wurde, sind Zugangsverbote zu öffentlicher Information die führende Kategorie von Medienfreiheitsverletzungen in Nigeria.

Seit Anfang 2016 wurden mindestens 39 JournalistInnen willkürlich davon abgehalten, ihrer Arbeit nachzugehen, indem sie trotz Akkreditierung keinen Zugang zu Gerichtsverhandlungen, Pressekonferenzen, Senatsdebatten oder anderen Ereignissen erhielten.

Vor wenigen Wochen, am 7. Mai, wurden die Korrespondenten des Präsidentenpalastes in Abuja abgewiesen, als Präsident Buhari 82 Schulmädchen aus Chibok empfing, die kürzlich von Boko Haram freigelassen wurden. Einzig zur Berichterstattung zugelassen waren staatliche Medien wie Nigeria Television Authority und Voice of Nigeria, deren Vorsitzende von der Regierung ernannt wurden.

Problem: Straffreiheit

In Nigeria sind JournalistInnen oft auch Zielscheibe von Polizei, Militär oder des staatlichen Sicherheitsservices, die dabei meist völlig straffrei bleiben. JournalistInnen bezahlen einen hohen Preis dafür, bei Korruption oder Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu berichten.

Der Kameramann von Channels Television, Ekikere Udom, wurde von der Polizei in Port Harcourt letzten November brutal zusammengeschlagen, als er nach der Kündigung zweier Politiker Proteste auf der Straße filmte. Sein Handy und andere persönliche Gegenstände wurden von der Polizei sichergestellt und er musste im Krankenhaus behandelt werden.

Alles in allem waren mehr als zehn JournalistInnen Opfer von Gewalt durch Sicherheitskräfte seit Anfang 2016.

Auch willkürliche Verhaftungen von JournalistInnen sind häufig. Im Bundesstaat Lagos etwa wurden zehn JournalistInnen der Biafra Times wegen Aufwiegelung verurteilt, außerdem wurde ihre Ausrüstung sowie Kopien der Zeitung beschlagnahmt. Sie wurden angeklagt, SympathisantInnen der biafranischen Separationsbewegung zu sein, die von der Regierung als Terroristengruppe eingestuft wird und in Nigeria als Tabuthema behandelt wird.

Im Februar stellten Soldaten im südöstlichen Bundesstaat Abia Ausgaben von vier Zeitungen sicher – New Republic, Vesym, Freedom Journal und Authority – die Geschichten über die Abspaltung von Biafra enthielten und attackierten die ZeitungshändlerInnen.

Nach Zählungen von Reporter ohne Grenzen wurden seit 2006 mindestens 23 JournalistInnen in Nigeria verhaftet. In den meisten Fällen wurden sie schnell wieder freigelassen und die Anklage fallengelassen. Reporter ohne Grenzen verurteilen diese Methode der Schikane und Einschüchterung gegen Medienangestellte.

Zunehmende Gewalt

Gewalttätiges Handeln gegen JournalistInnen wird zunehmend dadurch ermutigt, dass die Taten von Behörden gegen JournalistInnen komplette Straffreiheit genießen. Mindestens elf JournalistInnen wurden durch ZivilistInnen verletzt und ihre Ausrüstung während gewaltsamer Vorfälle beschädigt. In den meisten Fällen wurden sie während ihrer Berichterstattung attackiert. Auch wenn manchmal Untersuchungen gestartet wurden, blieben diese ohne Resultate. Außerdem fielen in zumindest drei Medienhäuser Gruppen von Jugendlichen ein, die versucht hatten, gezielte Berichterstattung zu erzwingen.

Nigeria findet sich nach einer Verschlechterung um sechs Ränge auf Platz 122 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.