Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die sofortige Freilassung des iranischen Internet-Experten Mohammad Solimaninja. Er sitzt seit drei Monaten im Gefängnis und wird nach Informationen von ROG massiv unter Druck gesetzt, die Regierung beim Aufbau eines „nationalen Internets” zu unterstützen.
Solimaninja hatte das populäre Business-Netzwerk u24 betrieben und die Webseiten zahlreicher iranischer Nichtregierungsorganisationen betreut. Am 10. Januar wurde er vor ein Revolutionstribunal in Karadsch geladen und anschließend verhaftet. Beamte des Ministeriums für Nachrichtenwesen und Sicherheit durchsuchten sein Haus und beschlagnahmten Computer, Festplatten und CDs. u24 ist seither nicht mehr zugänglich.
Seit einem Monat wird Solimaninja im berüchtigten Trakt 209 des Geheimdienstministeriums im Evin-Gefängnis in Teheran gefangen gehalten – bisher ohne Anklage. Seiner Familie zufolge ist er in einen Hungerstreik getreten, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren.
Iran ist nach China das größte Gefängnis für Internetaktivisten weltweit. Derzeit sitzen dort 19 Blogger und andere Online-Aktivisten in Haft, vier von ihnen wurden Anfang 2012 zum Tode verurteilt. Die Führung in Teheran blockiert Dienste wie Facebook, Twitter oder YouTube. Seit Jahresbeginn müssen sich Besucher von Internet-Cafés ausweisen, die Betreiber sind verpflichtet, sechs Monate lang die Protokolle besuchter Webseiten aufzubewahren. Ein “Hoher Rat für den Cyberspace” soll künftig die Internet-Kontrolle bündeln. Medienberichte, wonach Iran den Zugang zum internationalen Internet ab Mai dauerhaft abschalten wolle, wies das Regime in Teheran unterdessen zurück.
In seinem Bericht „Feinde des Internets” vom 12. März 2012 beschreibt Reporter ohne Grenzen ausführlich die Zensurmaßnahmen des iranischen Regimes: „Bereits jetzt können Iraner, die es nicht wagen oder nicht in der Lage sind, die Zensur zu umgehen, nur noch ein von kritischen Inhalten gesäubertes Internet nutzen. Für sie ist das nationale Internet seit Jahren Realität.”
ROG fürchtet, dass sich der Iran mit seinen Plänen zur Online-Zensur einem zweigeteilten Internet nähert, in dem Regierungsbeamte, religiöse Führer und wichtige Unternehmer Zugang zum weltweiten Internet behalten, während die Mehrheit der Bevölkerung nur noch ein zensiertes Intranet nutzen darf. „Die Staatspitze würde damit ihr eigenes Volk extrem benachteiligen”, heißt es im Internet-Bericht 2012, „das wäre eine digitale Apartheid.”