In Spanien spielt’s Granada – In Serbien geht die Medienfreiheit vor die Hunde

In Spanien spielt’s Granada – In Serbien geht die Medienfreiheit vor die Hunde

In Spanien spielt das Fernsehen Granada. Nicht in Spielfilmen, nicht in Doku-Soaps sondern als Realsatire und als solche mitten aus dem Leben des nationalen öffentlich-rechtlichen RTVE gegriffen. Via Stiftungsrat wurde der Sender zum Polit-Hanswurst gemacht, die Direktion beugte sich den Wünschen ihrer Herren, die Öffentlichkeit brüllte Zensur, der Aufsichtsrat legte notgedrungen den Rückwärtsgang ein. In 24 Stunden war der Polit-Spuk vorbei und alles schien nicht gewesen zu sein. Auf der Strecke blieben Glaubwürdigkeit und Ansehen der öffentlich-rechtlichen Medien-Anstalt  RTVE.

Was war da vergangene Woche in Madrid passiert? Die – ähnlich ihren ORF-Kollegen – unabhängigen, in diesem Fall von der konservativen Volkspartei und der katalanischen Nationalisten-Partei nominierten Stiftungsräte hatten dank Stimmenthaltung der sozialdemokratisch angehauchten Räte mehrheitlich folgende Regelung beschlossen: Alle Mitglieder des Aufsichtsrates sollten über ein internes Computernetz jederzeit auf das TV-Material der Nachrichtenredaktion zugreifen können. Zugreifen bedeutet Kontrolle und dann vielleicht auch irgendwann, selbst in Beiträgen herumzufummeln.


Zu früh gefreut. So wie sich die Spanier auch schon nach den Terror-Attentaten in Madrids Bahnhof am 11. März 2004 von der damaligen konservativen Regierung nicht manipulieren ließen, so klopften sie diesmal genauso konsequent dem obersten RTVE-Gremium gehörig und vor allem nachhaltig auf die Finger. Nach nur einem Tag war der freche Polit-Streich, die Medienfreiheit aushöhlen zu wollen, vorbei. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack: Der Versuch wurde nicht irgendwo sondern in einem EU-Staat gemacht.

Serbien will und soll Mitglied der Europäischen Union werden. Hier ist die EU-Kommission in Sachen Informationsfreiheit skeptisch. Im Land selbst warnt der nationale „Rat zur Korruptionsbekämpfung”, dass die Medienfreiheit durch politischen und wirtschaftlichen Druck vor die Hunde geht. Angeprangert werden in dem nun veröffentlichten Bericht vor allem die undurchsichtigen Eigentümerstrukturen im Medienbereich.  

Laut Antikorruptionsrat befindet sich ein nicht unerheblicher Teil der serbischen Medien in Staatseigentum. Seit geraumer Zeit schießen jedoch auch private Unternehmen wie Pilze aus der Erde. Elf dieser Medienbetriebe verfügen über landesweite Frequenzen, warum nicht. Zweifelhaft ist allerdings, dass offenbar nur bei Zweien dieser Stationen tatsächlich die Eigentümer und deren Verhältnisse bekannt sind. Nicht minder delikat ist, dass bei immerhin 18 regionalen privaten Sendern Offshore-Firmen – also nicht namentlich genannte Einzeleigentümer sondern Firmen mit Sitz in ausländischen Steueroasen – als Besitzer eingetragen sind. Wer wirklich dahinter steckt, weiß offiziell niemand. Manche sprechen von kriminellen Organisationen. Serbiens Medienlandschaft scheint zu einem Selbstbedienungsladen zu degenerieren, kritische Journalisten werden zu Freiwild. Auf der Rangliste von Reporter ohne Grenzen rutschte Serbien im vergangenen Jahr von Rang 62 auf Platz 85 ab.

Die Regierung in Belgrad will nun  – wohl auch im Sinne eigener medialer Präsenz – sechs regionale öffentlich-rechtliche Sender gründen. Wir wissen, wie das so sein kann mit Landesstudios und deren regionalpolitischen Gepflogenheiten. Die EU-Kommission kritisiert das Vorhaben als zu teuer und – laut Meldung des  oft bedrohten Privatsenders B 92 – als zu unsicher in Sachen unabhängiger Berichterstattung.

Selbst die Belgrader Antikorruptionsbehörde kritisiert harsch die politische Kontrolle über die Medien des Landes. So stecken serbische, staatliche Institutionen offenbar viel  Steuergeld in Inserate und Werbung für einzelner Politiker oder Parteien. 50 Medienunternehmen hat die Behörde laut APA überprüft. Fazit: im Schnitt  kassieren diese pro Jahr 15 Millionen Euro.  Eine stolze Summe, die zumindest theoretisch Berichterstattungen regierungsgeneigt machen könnte.  

Der Balkan beginnt in Wien am Rennweg, soll Fürst Metternich – einst Staatskanzler und erklärter Feind der Pressefreiheit – gesagt haben. Er selbst hatte sich dort ein Palais erbaut, inzwischen dies die diplomatische Adresse Italiens. Auf Nummer 3 schuf sich später Otto Wagner ein prächtiges Eigenheim, heute bekannt als serbische Botschaft.