Gewissensgefangene im Schatten der Pyramiden

Gewissensgefangene im Schatten der Pyramiden

Für alle, die ihren diesjährigen Sommerurlaub in Ägypten
verbringen möchten, hat Reporter ohne Grenzen einige Informationen über
die harte Realität im Land der Pharaonen zusammengestellt. Ägypten
nimmt Im weltweiten Ranking der Pressefreiheit nimmt Rang 146 (von 169
untersuchten Staaten) ein und scheint auch auf der ROG-Liste der
„Feinde des Internets” auf.


Mit elf Millionen Touristen im Jahr 2007 stellte Ägypten einen
historischen Rekord auf. Im selben Jahr wurde der 22-jährige Abdel
Kareem Nabil Suleiman („Kareem Amer”) zu vier Jahren Haft
verurteilt, weil er Präsident Hosni Mubarak in seinem Blog kritisiert
hatte. Er wurde als erster ägyptischer Blogger für seine Aktivitäten im
Internet verurteilt, und erhielt die höchste Strafe von allen
ägyptischen CyberdissidentInnen. Am 28. Juni wird er seinen 600. Tag im
Urlaubsort Borg el Arab verbringen – im Gefängnis der Stadt an der
ägyptischen Mittelmeerküste.

„Wenn Sie in ein Internet-Café
gehen werden Sie kaum Probleme haben, Seiten aufzurufen, da das
Internet kaum gefiltert wird. Doch die Behörden beobachten alle
Einträge, die sich mit Religion oder Politik beschäftigen, ganz genau
(vor allem jene Seiten, die die verbotene Muslimbrüderschaft erwähnen).
Ägyptische Blogger kennen die Risiken, die sie eingehen, wenn sie im
Internet kritische Statements veröffentlichen. Schikanen und
Einschüchterungsversuche bringen sie oft dazu, ihre Blogs zu schließen.
Auch den Betreibern blockierter Websites steht keine Berufungsinstanz
offen”, so Reporter ohne Grenzen.

„Wenn Sie Ägypten besuchen,
denken Sie daran, dass kurz vor Ihrer Ankunft mindestens 300 Menschen
verhaftet wurden”, so die Pressefreiheitsorganisation weiter. „Und das
nur, weil sie gestreikt und auf den Straßen der Hauptstadt und der
Arbeiterviertel nördlich von Kairo protestiert hatten,” erinnert
Reporter ohne Grenzen.

“Wundern Sie sich auch nicht, wenn Sie
nicht alle ägyptischen Fernsehkanäle empfangen können: der
halb-öffentliche Sat-Anbieter Nilesat hat den privaten Sender Al-Hiwar
ohne Begründung aus dem Programm genommen. Und die Informationsminister
der arabischen Staaten haben am 12. Februar beschlossen, die
Sendefreiheit der Satellitensender einzuschränken und anstößige
Programminhalte zu sanktionieren.”

„Und wenn Sie Erinnerungen
aus Ägypten mit nach Hause nehmen, dann vergessen Sie nicht auf den
22-jährigen Studenten Kareem Amer, der seit 600 Tagen einzig und allein
wegen seinem Blog in Haft ist,” so Reporter ohne Grenzen abschließend.

Einige nützliche Tipps für Ihre Ägypten-Reise:

Was besichtigen?

Kairo:

Die
ägyptische Hauptstadt zählt zu den Orten mit der höchsten Dichte an
Medienniederlassungen. Hier befinden sich auch die Regionalbüros von Al-Jazeera, dessen MitarbeiterInnen zählen zu den am häufigsten bedrohten des Landes zählen.

So
wurde im Jänner 2008 ein Journalist und Kameramann verhaftet, während
er über die Misshandlungen und sozialen Probleme der Landarbeiter im
Süd-Westen Kairos berichtete. Seine Aufnahmen wurden ohne jede
Erklärung beschlagnahmt.

Ein weiterer Journalist, Eigentümer der auf elektronische Medien spezialisierten Agentur Cairo News Company,
musste sich im Mai verantworten, weil er Videomaterial von
Demonstrationen ohne die erforderliche Genehmigung veröffentlicht
hatte. Vor allem ist er „schuldig”, mit Al Jazeera zusammenzuarbeiten, weil er dem Sender manchmal Berichte geliefert hat.

Der Herausgeber der unabhängigen Wochenzeitung Al-Dustour, Ibrahim Issa,
wurde am 26. März 2008 zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er
„falsche Berichte” veröffentlicht hatte, „die zu Verletzungen der
öffentlichen Ordnung und zur Schädigung des Rufs Ägyptens führen
könnten”.

Alexandria:

Alexandria ist eine der
geschichtsträchtigsten ägyptischen Städte. Hier wird von 17. bis 19.
Juli 2008 eine der wichtigsten Zusammenkünfte der freien
Meinungsäußerung stattfinden: Wikimania. Internet-User aus der ganzen
Welt werden in Scharen zusammenkommen, um den weltweiten Austausch von
Nachrichten und Inhalten über das Internet voranzutreiben.

Unterdessen
wird der Student Kareem Amer in der Nachbarstadt Borg el Arab schon
über 600 Tage hinter Gittern verbracht haben. Er wurde wegen
„Anstiftung zum Hass gegen den Islam” und „Beleidigung des Präsidenten”
zu vier Jahren Haft verurteilt.

Auch einige der treibenden
Kräfte hinter den Demonstrationen im Frühjahr 2008 haben einige Zeit in
Borg el Arab verbracht. Die Demonstrationen gegen die stark
angestiegenen Lebenshaltungskosten waren überwiegend im Internet
organisiert worden. So hatte die „6. April-Gruppe” die Networking-Seite
Facebook benutzt, um insgesamt 64.000 UnterstützerInnen für den Streik zu sammeln.

Ein
Anführer des Streiks wurde von den Behörden besonders schlecht
behandelt. Die Polizei folterte ihn, um aus ihm das Password zu seiner
Internetseite heraus zu pressen und dann den gesamten Inhalt der Seite
zu löschen.

Ist es einfach, Fotos zu machen oder zu filmen?

In
Ägypten gibt es sechs Millionen Internet-User und die Bloggosphere des
Landes zählt zu den aktivsten des Nahen Ostens. Filmmaterial des
Journalisten Wael Abbas, der Folter von Häftlingen durch
Polizisten dokumentiert hatte, wurde in einem Prozess verwendet, der
zur Verurteilung der Folterer führte.

Andererseits wurde während des Streiks im April 2008 der Blogger Kareem el-Beihiri
verhaftet, weil er die Proteste vor der Textilfabrik, in der er
arbeitet, gefilmt hatte. Er wurde 73 Tage lang in Borg el Arab
festgehalten und wegen Fernbleibens von der Arbeit gekündigt.