“Der große Sprung rückwärts in Chinas Journalismus” – Eine beispiellose RSF-Untersuchung

“Der große Sprung rückwärts in Chinas Journalismus” –   Eine beispiellose RSF-Untersuchung

“Der große Sprung rückwärts in Chinas Journalismus” – Eine beispiellose RSF-Untersuchung

Zwei Jahre nach dem Report „China‘s Pursuit of a New World Media Order“ veröffentlicht Reporter ohne Grenzen (RSF) den Bericht „The Great Leap Backwards of Journalism in China“ („Der große Sprung rückwärts in Chinas Journalismus“), der das Ausmaß der Repressionskampagne des Regimes gegen das Recht auf Information aufdeckt.

Es ist ein vernichtendes Dokument von 82 Seiten, das ein Jahr vor dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, der für Ende 2022 geplant ist, veröffentlicht wurde. Ein Bericht, der belegt, dass Peking immer schneller gegen seine internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Meinungs- und Redefreiheit verstößt und am 7. Dezember 2021 von ROG veröffentlicht wurde, enthüllt die beispiellose Unterdrückungskampagne, die das chinesische Regime in den letzten Jahren gegen den Journalismus und das Recht auf Information in der ganzen Welt geführt hat.

Der Bericht untersucht insbesondere die Repressionsinstrumente des Regimes gegen Journalist*innen und die Verschlechterung der Pressefreiheit in Hongkong, das einst ein Musterbeispiel für Pressefreiheit war und in dem heute immer mehr Journalist*innen im Namen der nationalen Sicherheit verhaftet werden.

„The Great Leap Backwards of Journalism in China“ beschreibt zum einen Pekings Strategie, den Zugang zu Informationen innerhalb und außerhalb seiner Grenzen zu kontrollieren, anderseits gibt es auch Appelle und Empfehlungen an chinesische Behörden, Regierungen, Institutionen, Journalisten und Medienunternehmen ab.       

“Wenn China seinen rasanten Rückwärtsgang fortsetzt, könnten die chinesischen Bürger die Hoffnung verlieren, dass eines Tages in ihrem Land Pressefreiheit herrscht, und das Regime in Peking könnte es schaffen, sein Gegen-Modell auch in anderen Ländern durchzusetzen”, so der Generalsekretär der RSF, Christophe Deloire, der die Demokratien dazu aufruft, “alle geeigneten Strategien zu finden, um das Pekinger Regime von seiner repressiven Politik abzubringen und alle chinesischen Bürger zu unterstützen, die ihr Land lieben und das Recht auf Information verteidigen wollen”.

                    „The Great Leap Backwards of Journalism in China“

Zehn wichtige Punkte:

  1. Journalist*innen sollen zum Sprachrohr der Partei werden

Um ihre Presseausweise zu erhalten und zu erneuern, müssen Journalist*innen demnächst jährlich eine 90-stündige Schulung absolvieren, die sich teilweise auf Xi Jinpings “Gedankengut” konzentriert. Die Journalist*innen müssen bereits jetzt die Propaganda-App “Xi studieren, das Land stärken” herunterladen, mit der ihre persönlichen Daten erfasst werden können.

  • China bleibt das größte Gefängnis der Welt für Journalist*innen

Mindestens 127 Journalist*innen (professionelle und nicht-professionelle) werden derzeit vom Regime festgehalten. Allein die Recherche zu einem “heiklen” Thema oder die Veröffentlichung zensierter Informationen kann zu jahrelanger Haft in unhygienischen Gefängnissen führen, wo Misshandlungen bis zum Tod führen können.

  • Ausländische Korrespondenten sind unerwünscht

Das chinesische System der Einschüchterung von Korrespontent*innen, das auf Überwachung und Visaerpressung beruht, zwang 18 von ihnen, das Land im Jahr 2020 zu verlassen. Gui Minhai, Yang Hengjun und Cheng Lei, drei ausländische Journalisten chinesischer Abstammung, sind derzeit wegen Spionagevorwürfen inhaftiert.

  • Covid-19 als idealer Vorwand für verstärkte Repressionen

Mindestens zehn Journalist*innen und Online-Kommentator*innen wurden 2020 verhaftet, nur weil sie die Öffentlichkeit über die Covid-19-Krise in Wuhan informiert hatten. Zwei von ihnen, Zhang Zhan und Fang Bin, befinden sich bis heute in Haft.

  • Medienblockade in Xinjiang

Seit 2016 führt das Regime in Peking im Namen des “Kampfes gegen den Terrorismus” eine gewalttätige Kampagne gegen die Uiguren. Derzeit sind einundsiebzig uigurische Journalist*innen inhaftiert, das sind mehr als die Hälfte aller in China inhaftierten Journalist*innen.

  • Ausbreitung der “roten Linien” – Zensur in China

Die Zahl der Tabuthemen nimmt ständig zu. Nicht nur als “heikel” geltende Themen wie Tibet, Taiwan oder Korruption unterliegen der Zensur, sondern auch Naturkatastrophen, die #MeToo-Bewegung oder sogar die Anerkennung von Gesundheitsexpert*innen während der Covid-19-Krise.

  • Hongkong-Journalist*innen durch das Nationale Sicherheitsgesetz bedroht

Das bewusst vage gehaltene Nationale Sicherheitsgesetz, das letztes Jahr von China in Hongkong verhängt wurde, diente seither als Vorwand für die Unterdrückung von mindestens 12 Journalist*innen und Verfechter*innen der Pressefreiheit, unter ihnen der Gründer von Apple Daily, Jimmy Lai. Allen droht eine lebenslange Haftstrafe.

  • Carrie Lam – eine Marionette des Pekinger Regimes

Um dem chinesischen Regime zu gefallen, hat Carrie Lam, Hongkongs Regierungschefin, das letzte unabhängige Mainstream-Medium, Apple Daily, eingestellt und eine Zensurkampagne gegen die staatliche Rundfunk- und Fernsehgruppe RTHK (Radio Television Hong Kong) inszeniert.

  • CGTN verbreitet weiterhin Propaganda in der ganzen Welt

Der staatliche chinesische Fernsehsender CGTN strahlt weiterhin weltweit Regimepropaganda aus, obwohl er 2021 seine Lizenz im Vereinigten Königreich verloren hat, nachdem er mehrere erzwungene Geständnisse ausgestrahlt hatte, darunter die des Verlegers Gui Minhai und des ehemaligen Journalisten Peter Humphrey

  1. Botschaften als Sprachrohre gegen die Informationsfreiheit

Auch die diplomatischen Vertretungen Chinas sind eine Quelle des Drucks gegen die Informationsfreiheit in Demokratien dar. Der für seine Hetzreden gegen die Medien berüchtigte chinesische Botschafter in Paris, Lu Shaye, ist ein Wiederholungstäter, der regelmäßig unabhängige Journalist*innen beleidigt und angreift.            

In einem früheren, 2019 veröffentlichten Bericht mit dem Titel “China’s Pursuit of a New World Media Order“ („Chinas Streben nach einer neuen Weltmedienordnung) hat RSF aufgezeigt, wie Peking versucht, die Rolle des Journalismus abzuschaffen und ihn stattdessen zu einem Werkzeug im Dienste der Staatspropaganda zu machen.

Die Volksrepublik China liegt im RSF-Weltindex für Pressefreiheit 2021 auf Platz 177 von 180, nur zwei Plätze vor Nordkorea. Die Sonderverwaltungsregion Hongkong, einst eine Hochburg der Pressefreiheit, ist von Platz 18 bei der Erstellung des Index im Jahr 2002 auf Platz 80 im Jahr 2021 abgerutscht.

Gesamter Report in 10 verschiedenen Sprachen: “The Great Leap Backwards” https://rsf.org/fr/rapports/une-enquete-inedite-de-rsf-le-grand-bond-en-arriere-du-journalisme-en-chine