Das Recht auf Vergessen im Internet

Das Recht auf Vergessen im Internet

Anonymous schlägt um sich, ein Wiener Student trickst Facebook aus und EU Kommissarin Viviane Reding fordert die Möglichkeit, persönliche Internetdaten löschen zu können

Blog von Rubina Möhring

Was ist denn bei Anonymous los? Interne Anarchie, allgemeiner Defätismus oder einfach nur zwecks Werbung den Mund zu voll genommen? Für den 5. November war für sämtliche Facebook-Freunde der Kommunikationsweltuntergang angesagt. Anonymous wollte dem sozialen Netzwerk aus Datenschutzgründen den Garaus machen. Nichts ist geschehen, nicht einmal ein Mini-Interruptus. War das hinter vorgehaltener Maske ein Gesichtsverlust, ein “fall of face” im Fall Facebook oder waren die Hacker nur zu sehr anderweitig beschäftigt? Anonymous schlägt um sich.

Seit 6. November jedenfalls sind in Israel etliche staatliche Internetseiten lahm gelegt. Auch diese Aktion hatte Anonymous angekündigt. Laut “taz” waren die anonymen Hacker darüber verärgert, dass die israelische Marine vor der Gaza-Küste zwei Schiffe abgefangen und 27 pro-palästinensische Aktivisten verhaftet hatte.


Noch eine andere – intern nicht unumstrittene – Front hatten die Anons aufgemacht. In Mexiko im Streit mit “Los Zetas”, einem der übelsten Drogenkartelle. Dessen Killer hatten eine Hacker entführt, Anonymous drohte mit Namensnennung von Banden-Mitgliedern. Der Hacker kam frei, Anonymous hielt den Mund und behält sein Hacker-Herrschaftswissen für sich. Im Sinne sonst eingeforderter Transparenz war diese Aktion nicht. Daran führt kein Weg vorbei, auch nicht der Appell: “Beendet Euer Terrorregime. Wir wissen, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen, aber wir ziehen es vor, aufrecht zu sterben als auf Knien zu leben. Wir wissen nicht, wer oder was in Wahrheit hinter Euch steht. Aber glaubt uns: Wir werden es herausfinden. Wir irren uns fast nie.” Jedenfalls haben die Anons wieder einmal gezeigt, was sie können, wenn sie wollen und wie hilflos nicht nur öffentliche Netz-Systeme gegenüber ihrem Knowhow, aber auch ihrer Willkür sind.

Kann Facebook nun wie gehabt weitermachen? Wohl kaum. Vom “Recht auf Vergessen” und jenem auf das Löschen persönlicher Internetdaten spricht die für Datenschutzfragen zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding. Mitte November will sie den 24-jährigen Wiener Jusstudenten Max Schrems treffen. Total legal trickste dieser Facebook aus: Anzeige bei der irischen Datenschutzbehörde, Erhalt einer CD mit all seinen persönlichen Facebook-Daten, insgesamt immerhin 1222 Seiten. Internationalen Medien feiern den 24jährige als Helden.

Besagte PDF-Seiten hat Max Schrems nun auf die von ihm und anderen Studierenden eröffnete Website europe-v-facebook.org gesetzt. Geschwärzt. Ungeschwärzt erhielt sie die “sonntaz”, als Info-Basis für das Video “Was Facebook über Dich weiß”. Das ist offensichtlich sehr, wenn nicht sogar viel zu viel. Facebook konterte am Wochenende mit der Löschung des Antragsformulars für Datenauskünfte. Erheiternd ist das nicht. Im Gegenteil.

In Ägypten protestierten unterdessen tausende Menschen gegen die Inhaftierung des Bloggers und Aktivisten Alaa Abdel Fatah. Wegen angeblicher Aufwiegelei hatte ihn ein Militärgericht zu 15 Tagen Haft verurteilt. Mundtot machen auch härtere Urteile nicht, zu weit, zu grenzenlos ist die vernetzte Informationswelt. Regierungen, die versuchen, den Zugang ins Internet einzuschränken, werden, können nur scheitern, meinte der britische Außenminister anlässlich der jüngsten, hochkarätigen Londoner Cyberspace-Konferenz. Mit heimlicher Datenklauberei à la Facebook hat das allerdings nichts zu tun, sondern allein mit dem Recht auf freie Information. Alles klar?