„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.“ Gilt das auch für die Kinder von Lesbos? Wie viele christlich-soziale Politiker heute noch bibelfest sind, fragt sich “Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich”-Präsidentin Rubina Möhring. – Ein Gastkommentar für das Online-Magazin “ZackZack”.
Die Sache mit dem zweibeinigen Kind-Elefanten ist inzwischen in den Medien zur Genüge durch den Kakao gezogen worden. Ein pausbäckiger Bub im tierischen Faschingskostüm, der im Auftrag der Regierung in einem Videoclip Passanten auseinanderschubst. Kanzler und Vizekanzler zeigen sich auf einem Pressefoto gemeinsam mit dem Kleinen entzückt. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Zeitgleich erfahren wir alle – auch die genannten Politiker – in Wort und Bild von den katastrophal menschenunwürdigen Lebensumständen in dem Flüchtlingslager Kara Tepe, dem Ersatzlager für Moria, auf der griechischen Insel Lesbos. Die Menschen leben in bei Unwettern ungeeigneten Zelten – u.a. eine Spende der österreichischen Regierung. Bei starken Regengüssen schwimmt der Boden unter den Zelten hinweg. Kinder werden nachts von Ratten angeknabbert, Säuglinge werden inzwischen in den Zelten auf selbstgebastelten Mini-Hängematten in den Schlaf gewiegt. Hier sind sie für Ratten unerreichbar. Ihre Mütter werden dadurch jedoch auch für die Babies unerreichbar – deren Atem, deren Körperwärme, deren Liebe, deren Fürsorge und beruhigende Stimmen, die sie wieder in den Schlaf singen oder summen, in all den kalten, dunklen Nächten. Selbstverständlich sind die Zelte ungeheizt. Als „Waschanlage“ dienen Kübel kalten Wassers. Für Medien herrscht Informationssperre.
In Österreich sind genügend Gemeinden und Haushalte bereit, Flüchtlingsfamilien sowie elternlose, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Viele der auf Lesbos vegetierenden Menschen haben bereits akzeptierte Asylanträge, auch diese Formalität wäre erledigt.
Doch die österreichische türkis-grüne Regierung sagt NEIN: Keine einzige Flüchtlingsfamilie, kein einziges Kind darf in unser Land kommen! Die „Gefahr“, andere kämen nach, sei zu groß. Stattdessen soll SOS-Kinderdorf auf Lesbos den Flüchtlingen Kinderbetreuung anbieten. Kann Kinderbetreuung menschenunwürdige Lebensumstände wegzaubern? Sofortige Hilfe ist notwendig, die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien auch bei uns in Österreich.
Hierfür treten nun auch die obersten Vertreter der christlichen Gemeinden in Österreich ein. Allen voran Österreichs katholische Bischöfe, an ihrer Spitze Kardinal Schönborn. In Demonstrationen vor dem Außen- sowie dem Bundeskanzleramt demonstrierten in den vergangenen Tagen tausende Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingsfamilien aus den Lesbos-Lagern. Am 22. Dezember hatte sich noch einmal auf dem Wiener Heldenplatz eine Vielzahl prominenter Stimmen zu Wort gemeldet. Durchaus erfolgreich. Selbst der Vizekanzler, Parteifarbe Grün, machte sich nun auch in einem Interview mit dem Massenblatt „Krone“ für die Aufnahme von Flüchtlingskindern und -familien aus dem Lager auf Lesbos stark. Der stärkere Koalitionspartner, die türkisfarbene ÖVP, ist nach wie vor dagegen.
Rückblick: In Teil 2 der christlichen Bibel, im „neuen Testament“, wird der als Messias und Gottessohn beschriebene Jesus folgendermaßen zitiert: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.“ Er soll dies zu seinen Jüngern gesagt haben, die die Kinder hatten fernhalten wollen.
Was sagt nun Österreichs christlich-soziale Partei? Deren Kanzler, samt der türkisen Regierungscrew, ist strikt gegen einen humanitären Akt, gegen die Aufnahme von Kindern aus den Lagern auf Lesbos. Bundespräsident Van der Bellen hingegen ist dezidiert dafür. Kurz gesagt, es schaut derzeit nicht gut aus für das Image des Kanzleramtes.
Vater und Sohn im Himmel sollen übrigens darüber erstaunt sein, was sich derzeit in dem kleinen Land an der Donau in Sachen Menschlichkeit bzw. Unmenschlichkeit mit voller Wucht abspielt. Auch seien die Beiden, so heißt es, in hohem Maße indigniert über die konservativ-katholische Gebetsstunde im säkularen Parlament Österreichs gewesen. Angebliches Zitat: „Unangenehm, peinlich, fehl am Platz.“ Nicht minder verärgert seien Senior und Junior auch darüber gewesen, dass sie die Formulierung „Opus Dei“ nicht rechtzeitig urheberrechtlich haben schützen lassen. Lapidarer Rückschluss: So ist das eben auf Erden.
Nochmals ein Blick in die Christen-Bibel, Teil 2, nochmals Jesus zu seinen Jüngern: „Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“. Die Jünger, die zuvor die Kinder rüde abgewiesen hatten, zeigten sich einsichtig.
All dies ist jedoch schon sehr, sehr lange her. Sind heutige gläubige, christlich-soziale Politiker noch bibelfest? Machen wir doch einfach einen kostenlosen Massentest. Wieviele wohl positive Ergebnisse haben werden?