Türkei: Unbestrafte Polizeigewalt gegen Journalisten – Brutalität findet kein Ende

Türkei: Unbestrafte Polizeigewalt gegen Journalisten – Brutalität findet kein Ende

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Rund 150 Journalisten sind im vergangenen Jahr während der Proteste rund um den Istanbuler Gezi-Park von der Polizei attackiert worden, ohne dass dieses Vorgehen Konsequenzen für die Exekutivbeamten gehabt hätte. Auch 2014 wird die Polizei bei Demonstrationen wieder mit Gewalt gegen Zivilisten und Journalisten vorgehen, kritisiert Reporter ohne Grenzen (ROG), und fordert eine engagiertere Strafverfolgung von Gewalttätern aus den Reihen der Polizei.

“Es ist wichtig, jene Polizeikräfte zur Verantwortung zu ziehen, die unangemessene Gewalt gegenüber Journalisten, wie auch Demonstranten, ausüben. Nur so kann die Brutalität gestoppt werden”, so Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft scheinen derzeit ein Interesse an der Aufarbeitung staatlichen Gewaltmissbrauchs zu haben:

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft lehnte am 23.Dezember eine Anklage wegen “Missbrauchs von Autorität” ab, die von einigen Opfern gegen den Istanbuler Bürgermeister Kadir Tobas, den Premierminister Recep Tayyip Erdogan sowie den stellvertretenden Premier Bülent Arinc und den Innenminister Muammer Güler eingebracht wurde. Der stellvertretende Staatsanwalt A.Cengiz Haciosmangolu begründete die Entscheidung mit fehlender Ernsthaftigkeit und mangelnder Beweise.

Unter den 12 Anklägern befanden sich auch die drei Journalisten Achmet Sik (Webseite „Habervesaire“), Onur Erdem (Tageszeitung „Bir Gün”) und Ender Ergün (Magazin “Express”).

Achmet Sik wurde am 12. Juni von einer Tränengasgranate am Kopf getroffen. Zwei Wochen später traf ihn erneut eine Granate am Kopf, diesmal kam er nur mit erheblichen Verletzungen davon.

Onur Erdem leidet bis heute an der massiven Inhalation von Tränengas und Ender Ergün lag mit Verletzungen von Gummigeschossen und Messerstichen im Krankenhaus.

Zwar gab die Polizeidirektion Mitte September 2013 bekannt, sie werde Ermittlungen bei 132 gewalttätigen Polizeioffizieren und 32 Polizeichefs einleiten und damit auf die Vorwürfe von Demonstranten und Journalisten reagieren. Bisher gab es jedoch keine Ergebnisse.

Auch während der neuen Anti-Regierungsdemonstrationen Ende Dezember und Anfang Januar kam es zu Polizeigewalt. Mehr als ein Dutzend Journalisten wurde verletzt, während sie die Proteste dokumentieren wollten.Nach Angaben der türkischen Journalistenvereinigung (TGS) ist auch journalistische Ausrüstung zerstört worden. Auch die TGS fordert eine gerichtliche Untersuchung der Ereignisse.

In der Nacht des 27.Dezembers ist der Journalist Elif Ince (Tageszeitung “Radikal”) sowie der freie Journalist Berna Sahin (CNN International ) und Mohammet Jamhoon und sein Kameramann von CNN Türk von Gummigeschossen der Polizei verletzt worden.

Weitere Informationen zu verletzten Journalisten in der Türkei finden Sie hier und hier.

Reporter ohne Grenzen Österreich hat im Dezember 2013 den Press Freedom Award an das Journalisten- und Kommunikationsnetzwerk Bianet verliehen, das unter anderem hier über die unbestrafte Polizeigewalt bei den vergangenen Protesten berichtet.