Traurige Bilanz: 65 Medienschaffende getötet, 326 in Haft

Traurige Bilanz: 65 Medienschaffende getötet, 326 in Haft

Traurige Bilanz: 65 Medienschaffende getötet, 326 in Haft

Im zu Ende gehenden Jahr sind weltweit mindestens 65 JournalistInnen, BürgerjournalistInnen und andere Medienmitarbeiter in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden. Fast die Hälfte von ihnen starb außerhalb von Regionen mit bewaffneten Konflikten. Sie wurden in Ländern wie Mexiko oder den Philippinen ermordet, weil sie über Tabu-Themen wie politische Korruption oder das organisierte Verbrechen berichteten. Das geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit hervor, die Reporter ohne Grenzen am Dienstag veröffentlicht hat.

Hier die Details als PDF. Zwei Grafiken finden Sie am Ende dieses Texts.

„Besonders InvestigativjournalistInnen, die Themen wie Korruption und Umweltskandale recherchieren, spielen eine sehr bedeutende Watchdog-Rolle. Sie werden so zur Zielscheibe jener, die sich durch unabhängigen Journalismus bedroht fühlen“, sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

„Es ist sehr besorgniserregend, dass auch außerhalb von Kriegsgebieten so viele JournalistInnen getötet wurden“, so Möhring. „Besonders erschreckend ist, dass in zu vielen Ländern die Täter und ihre Auftraggeber damit rechnen können, dass sie mit Gewalt gegen Medienschaffende ungeschoren davonkommen. Wir fordern von der Staatengemeinschaft endlich wirksame Mittel, um die skandalöse Straflosigkeit für solche Verbrechen zu beenden.“

Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen endlich zur Rechenschaft zu ziehen und den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, wirbt Reporter ohne Grenzen bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von JournalistInnen.

39 der im Jahr 2017 getöteten Medienschaffenden wurden wegen ihrer journalistischen Tätigkeit gezielt ermordet. Die übrigen 26 wurden im Einsatz getötet, weil sie etwa unter Beschuss oder in einen Bombenangriff gerieten. Unter den Getöteten waren 50 professionelle JournalistInnen, sieben Bürgerjournalisten und acht sonstige MedienmitarbeiterInnen. 35 Medienschaffende starben in Gebieten mit bewaffneten Konflikten, 30 außerhalb solcher Gebiete. Zehn der Getöteten und damit doppelt so viele wie im Vorjahr waren Frauen.

Die weltweit gefährlichsten Länder für JournalistInnen, BürgerjournalistInnen und MedienmitarbeiterInnen waren 2017 Syrien (12 Medienschaffende getötet), Mexiko (11), Afghanistan (9), Irak (8) und die Philippinen (4). 

Weltweit wurden in den vergangenen 15 Jahren allein 1035 professionelle JournalistInnen in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet.

FAST DIE HÄLFTE ALLER INHAFTIERTEN SITZEN IN NUR FÜNF LÄNDERN IM GEFÄNGNIS

326 Medienschaffende weltweit sind zum Jahresende wegen ihrer Tätigkeit in Haft. Knapp die Hälfte von ihnen sitzt in nur fünf Ländern im Gefängnis: in China, der Türkei, in Syrien, dem Iran und Vietnam. In China verweigert das Regime der Kommunistischen Partei inhaftierten KritikerInnen vorsätzlich eine angemessene Gesundheitsversorgung und nimmt in Kauf, dass sie in an den Folgen sterben. 

In der Türkei hält die Justiz JournalistInnen systematisch über längere Zeiträume in Untersuchungshaft und bestraft sie damit, ohne ein Gerichtsurteil abzuwarten. Viele der nach dem Putschversuch im Sommer 2016 Verhafteten sitzen auf diese Weise seit mittlerweile anderthalb Jahren im Gefängnis; der deutsche Korrespondent Deniz Yücel ist seit Februar in Haft, obwohl gegen ihn noch nicht einmal Anklage erhoben wurde. In Vietnam hat die Regierung die Unterdrückung der Medienfreiheit in den vergangenen Monaten weiter verschärft und mindestens 25 Blogger verhaftet oder des Landes verwiesen, derzeit sitzen 19 in Haft.

MEHRERE JOURNALISTEN SIND IN SYRIEN SEIT ÜBER FÜNF JAHREN ENTFÜHRT

Ende 2017 sind weltweit 54 Medienschaffende entführt. Mit Ausnahme von zwei Journalisten, die von den separatistischen „Volksrepubliken“ im Osten der Ukraine festgehalten werden, konzentrieren sich diese Fälle vollständig auf Syrien, den Jemen und den Irak. Allein in Syrien befinden sich derzeit mindestens 22 einheimische und sieben ausländische Medienschaffende in der Gewalt verschiedener bewaffneter Gruppen, einige davon seit mehr als fünf Jahren. In manchen Fällen machen Angehörige und KollegInnen der Geiseln deren Schicksal erst nach Jahren publik, weil sie befürchten, das Leben der Entführten sonst zusätzlich zu gefährden.

Im Jemen halten allein die Huthis elf Journalisten und Medienmitarbeiter gefangen. Die Rebellengruppe, die neben der Hauptstadt Sanaa viele weitere Landesteile kontrolliert, duldet keinerlei öffentliche Kritik. Von einigen der im Irak und in Syrien während der Herrschaft der Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ entführten Medienschaffenden gibt es nach wie vor keine Nachricht.

Zwei Medienschaffende sind im Laufe des Jahres verschwunden: ein Blogger in Pakistan und ein Journalist in Bangladesh. Zu ihren Fällen gibt es seit Monaten weder glaubhafte Bekennererklärungen für eine Entführung noch Belege für ihren Tod.

Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen endlich zur Rechenschaft zu ziehen und den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, wirbt Reporter ohne Grenzen bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Dieser sollte die Bemühungen der verschiedenen UN-Institutionen zum Schutz von Journalisten koordinieren, die bestehende völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen und auf diese Weise die Zahl von Übergriffen und Gewaltakten gegen Journalisten endlich wirksam verringern. 

Schon jetzt gibt es zwar eine ganze Reihe von UN-Resolutionen für einen besseren Schutz für JournalistInnen vor allem in Konfliktgebieten. Sie hatten aber bislang kaum konkrete Auswirkungen auf die Lage der Betroffenen.

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