Blog von Rubina Möhring
Bereits 50 getötete JournalistInnen und BloggerInnen
Die Meldungen überschlagen sich: 14 getötete JournalistInnen in Syrien, 29, nun sind es bereits insgesamt 50 ReporterInnen und BloggerInnen, die während des diesjährigen Bürgerkrieges in Syrien gewaltsam zu Tode kamen. International nennt Reporter ohne Grenzen den Verlust von 50 JournalistInnen, drei MedienassistentInnen, 34 BloggerInnen – und das Jahr ist noch längst nicht vorbei.
Viele sind erprobte Kriegs- und Krisenberichterstatter gewesen. Manche journalistische Hasardeure, die sich als noch nicht etablierte “Fachleute” durch ein erhofftes “ultimatives” Bild, eine einzigartige Bildsequenz oder einen exklusiven Spezialbericht die Tür zu einer internationalen Karriere zu öffnen versuchen. Dazu bereit, hierfür ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
KorrespondentInnen im Visier
Selbst Profis wie die im Februar getötete Marie Colvin sind vor der Versuchung nicht gefeit, sich im Dienst der freien Information in jene Zentren von Krisenherden zu begeben, wo man als Berichterstatter schutz- und wehrlos ist. In Pakistan nehmen neuerlich die Taliban ausländische KorrespondentInnen ins Visier, um sie vom Berichten über Taliban-Opfer wie die 14-jährige Malala Yousafzai abzuhalten. Die Schülerin setzt sich für das Recht von Frauen auf Bildung ein. Sie wurde lebensgefährlich angeschossen. Ziel der Attentäter ist, dass niemand wissen soll, was im Land im passiert. Dass niemand mehr wagt, niemand mehr kommt, um zu berichten.
Der Krieg ist bekanntlich der Vater aller Dinge und die Kriegsberichterstatter sind jene, die uns auf dem Laufenden halten über Krisengebiete in aller Welt. Dank neuer Technologien und der Globalisierung der Medien bekommen wir jeden Konflikt – und findet dieser noch so weit weg statt – stante pede ins Haus geliefert.
Was machen die Bilder mit ihnen?
Wir futtern unsere Wurstsemmeln, mampfen Knabberzeug und schauen zu: Menschen, die schießen, Menschen, die fliehen, Menschen, die erschossen werden. Durch den Bildschirm, Fotos und Artikel kommt das Grauen bei uns ja schon gefiltert an. Wer aber sind jene, die uns die Informationen liefern? Was machen die Szenen, die sie erleben, die Bilder, die sie sehen, mit ihnen? Sind diese im Kopf per Knopfdruck genauso leicht abzudrehen, zu löschen, wie zuhause im TV-Winkel?
Können wir uns vorstellen, wie es ist, mitten im Krieg und trotzdem kein Soldat zu sein? Wie man eigene Emotionen “wegsteckt”, um kühl und um Objektivität bemüht, zu berichten. Geht eine solche Coolness auf Dauer überhaupt?
An Coco erinnert
Mehr als 20 Jahre lang hatte der Schweizer Fotojournalist Carl Just aus Krisengebieten berichtet. Eines schönen Tages bricht in seinem Kopf ein Albtraum aus. Auslöser war ein Papagei hinter der Theke eines ländlichen Restaurants. Erinnerung an den Papagei Coco im einstigen Beiruter Hotel “Commodore”. Dort hatte Just Mitte der achtziger Jahre fünfundachtzig auf einer Wiese aneinandergereihte verstümmelt Palästinenser fotografiert. Bei Just wurde PTSD – Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Immer wieder erleidet er Zusammenbrüche.
Eine Studie besagt, dass in Kriegsgebieten Reporter von “neutralen” Beobachtern mit Presseausweis zu “gejagten” werden können, die um ihre Gesundheit, wenn nicht sogar um ihr Leben fürchten müssen. Trotz Genfer Abkommen und trotzt verstärktem Einsatz der Vereinten Nationen für den Schutz für JournalistInnen.
“Im Krieg kann man nicht einfach die Seiten wechseln”
Ist jedoch eine “neutrale” Berichterstattung überhaupt möglich? So genannte “embedded journalists” sind in ihren Blickwinkeln abhängig von den Perspektiven, die ihnen die militärischen Einheiten bieten, die sie begleiten. Auch beim Journalismus auf eigenen Faust sind Reporter auf die Unterstützung ihrer Informanten angewiesen – diese vertreten genauso strikt ihre eigenen Interessen und sind inzwischen genauso gewieft in einseitiger Propaganda-Tätigkeit. “Im Krieg kann man nicht einfach die Seiten wechseln”, resümiert “profil”-Redakteur Martin Staudinger im Okto-Medienquartett*. Auch Seitensprünge sind nicht möglich. Krieg ist ein Ausnahmezustand, kein normales Leben. Kriegsberichterstatter sind Reporter, die freiwillig über Ausnahmezustände berichten. Im Sinne weltweiter Information – mit allen Risiken für ihr Leben.
Schon vergesssen? In Libyen wurde im Frühjahr 2011 der erfahrene österreichisch-südafrikanische Fotojournalist Anton Hammerl von Gaddafi-Truppen erschossen. Zurück blieb seine Frau mit den gemeinsamen zwei kleinen Kindern.