Zehn Jahre nachdem Radiojournalist Serge Maheshe in der Demokratischen Republik Kongo ermordet wurde, steht die Verhaftung der TäterInnen und HetzerInnen noch immer aus. Die gesammelten Informationen von Reporter ohne Grenzen (ROG) legen nahe, dass die Behörden nicht nur nichts getan haben, um den Mord aufzuklären, sondern auch, dass das kongolesische Militär involviert war.
„Wir wollen, dass die Behörden die Untersuchungen der Ermordungen von JournalistInnen wiederaufnehmen“, fordert Rubina Möhring, Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen Österreich. „Die willkürlichen Prozesse in der Demokratischen Republik Kongo stellen eine ernsthafte Bedrohung für alle JournalistInnen dar.“
Am Abend des 13. Juni 2007 wurde Serge Maheshe von zwei in zivil gekleideten Männern mit Kalaschnikows in einer Straße in Bukavu, der Hauptstadt der im Osten des Landes gelegenen Provinz Sud-Kivu, niedergeschossen. Dort führte er einen Ableger von Radio Okapi, ein Radiosender, der gemeinsam von der Schweizer Fondation Hirondelle – einer Organisation, die in Krisengebieten unabhängige Medien schaffen will – und der Mission der Vereinten Nationen
für die Stabilisierung in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO) betrieben wird.
Ein Militärgericht verurteilte am Ende eines Scheinprozesses, in dem die Verteidiger Todesdrohungen erhalten hatten, drei Personen zum Tode. Der Prozess wurde in einem Bericht vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte beanstandet und selbst das Gericht gab zu, dass Teile des Falles ungeklärt geblieben waren.
Neun Jahre nach dem Ende des Verfahrens ergab ein ROG-Interview mit dem früheren kongolesischen Militäroffizier Gabriel Maindo, dass die Justizermittlungen eine Spur komplett ignoriert hatten, die die Verantwortlichen für Maheshes Mord identifiziert hatte.
Maindo bestätigte gegenüber ROG, was er im Mai 2015 das erste Mal behauptet hatte: Ein Offizier, als Pacifique K. identifiziert, hatte ihm gestanden, dass er und zwei weitere Offiziere für die Ermordung Maheshes verantwortlich seien. Die zwei Offiziere waren unter den anfänglich bei den Untersuchungen Verhafteten, wurden aber ohne Anklage wieder freigelassen.
Pacifique K. nannte General Gabriel Amisi, auch bekannt als „Tango Fort“ [Tango Festung] und damals Befehlshaber über die 10. Militärregion (Sud-Kivu), und Oberst Thierry Illunga als die Anstifter zu Maheshes Ermordung. General Amisi und Oberst Illunga seien von Maheshes Bericht über Gräueltaten, die von ihren Soldaten gegen ZivilistInnen während und nach dem Krieg von 1998 verübt worden waren, verärgert gewesen, sagte er aus.
Trotz dieser Enthüllungen vor über zwei Jahren haben die kongolesischen Behörden keine Schritte ergriffen, um die drei Verdächtigen strafrechtlich zu verfolgen oder überhaupt zu befragen. Weit von einer Verhaftung entfernt, wurde der Offizier, der gegenüber Maindo gestand, seitdem sogar in den Geheimdienst befördert, während General Amisi zum Befehlshaber der Militärregion von Kinshasa ernannt wurde, auch wenn er von den Vereinten Nationen des Waffenschmuggels angeklagt wurde.
Konsequenzen für andere JournalistInnen
Diese Straffreiheit hat auch Auswirkungen auf die Sicherheit anderer JournalistInnen. Nur weniger Monate nachdem das Berufungsgericht den Maheshe-Fall behandelt hatte, wurde ein anderer Journalist von Radio Okapi, Didace Namujimbo, ermordet.
Der Namujimbo-Prozess brauchte über ein Jahr um organisiert zu werden und die angeschuldigten Täter konnten innerhalb von Tagen aus dem Bukavu-Gefängnis fliehen, nachdem sie endlich festgenommen worden waren. Jahre später erzählte ein Offizier Namujimbos Bruder, dass er angewiesen worden war, die Fälle von Maheshe und Namujimbo zu vertuschen.
Ein weiteres Beispiel ist der Tod von Bruno Koko Chrambiza, Moderator des privat geführten Radio Star in Bukavu, der am 23. August 2009 erstochen wurde. Es gab keine Untersuchung des Falles.
Außerdem wurden drei Journalistinnen – darunter Solange Lusiku, Redakteurin für Sud-Kivus einzige Zeitung Le Souverain – Ziele von ernsthaften Drohungen. Von der Polizei wurden keinerlei Schritte ergriffen.
Die Situation in der Demokratischen Republik Kongo verschlechterte sich in den letzten zehn Jahren stetig. Seit 2007 registrierte ROG mehr als 10 Ermordungen von JournalistInnen ohne dass glaubhafte Prozesse durchgeführt wurden oder gar TäterInnen verhaftet wurden.
Die Demokratische Republik Kongo liegt zurzeit auf Rang 154 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit 2017.