Staatsstreich auf drei Beinen – Regierungschef Orbán unterstellt CNN Putschversuch

Staatsstreich auf drei Beinen – Regierungschef Orbán unterstellt CNN Putschversuch

Gütiger Himmel, in Ungarn kommt die Revolution auf drei Beinen daher: diverse Geheimdienste, ungarische Diplomaten und – man höre und staune zusätzlich – der US-amerikanische TV-Sender CNN haben laut Ministerpräsident Viktor Orbán im Dezember eine Putsch gegen ihn und seine nationalistische Regierung probiert. Das berichteten zumindest ungarische Medien dieser Tage über die Klausurtagung von Orbáns Partei Fidesz – zu deutsch Bund junger Demokraten – in der ungarischen Weinstadt Eger.
   
Alle Achtung: Freie Berichterstattung ist damit flugs zu einem versuchten, politischen Putsch mutiert. Logische Fantasie-Folgerung: Alle kritischen Medienanalysen könnten künftig in Ungarn derart kategorisiert und als staatsfeindlicher Akt unterbunden werden.
 


Stimmt nicht, wiegelt der Fidesz-Fraktionsvorsitzende János Lázár ab. Das Wort Putsch, also Staatsstreich, sei nicht gefallen. Auch der in Eger kultivierte Rotwein “Erlauer Stierblut” dürfte weder den Redefluss des in die Jahre gekommenen so genannten jungen Demokraten Orbán beeinflusst noch diese kühne, wenn nicht gar folgenschwere Unterstellung verursacht haben. Doch warum sollten gerade die disziplinierten, ungarischen Medien lügen?

Welche Folgen Begriffsverwirrungen von nationalistischen Politikern nach sich ziehen können, wissen wir in Österreich zu Genüge. Viktor Orbán ist jedoch nicht irgendein populistischer Politiker sondern Regierungschef mit einer derart satten Mehrheit, dass er auch kühn die ursprünglich demokratische Verfassung nationalistisch einfärben konnte. Die EU protestierte, Orbán machte gewisse Kompromisse, daraufhin murrten manche Parteigenossen und Orbán schwang die verbale Putsch-Keule, um die Reihen wieder zu schließen. Peinlich bei der Wortwahl ist, dass Medien gar nicht putschen können.

Laut Lexikon ist ein Putsch, also ein Staatsstreich beziehungsweise Coup d’État, “eine
meist überraschende, meist gewaltsame Aktion einer kleineren Gruppierung von Staatsorganen (meistens Militär) mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und die Macht im Staat zu übernehmen. Putschisten sind in der Regel hohe Militäroffiziere oder Führer paramilitärischer Organisationen.” CNN ist weder ein Militärsender noch eine paramilitärische Organisation sondern ein unabhängiger US-Fernsehsender.

Nicht Medien selbst können also Putschisten sein, sehr wohl aber sind sie ein beliebtes Ziel von Staatsstreichern. Das wissen wir doch alle aus der Geschichte, Kapitel Revolutionstheorien. Die sowjetische Oktoberrevolution wurde 1917 über den Rundfunk verkündet, selbst 1934 versuchten illegale Nazis in Wien den Rundfunk zu besetzen.

Wie das funktioniert, hat erst kürzlich wieder auf den Malediven die Polizei vorexerziert. Sie besetzte den staatlichen Fernsehsender und zwang den ungeliebten Präsidenten Mohammed Nasheed zum Rücktritt. Der Sender tat und meldete, was ihm befohlen wurde. Deshalb sind die dort tätigen JournalistInnen selbst noch lange keine politischen Akteure.

Herr Orbán sollte das eigentlich wissen. Zumal während seiner Schulzeit Lenins Oktoberrevolution aus ideologischen Gründen nicht ausgelassen worden sein dürfte. Vielleicht hat er sich diese Erkenntnisse sogar selbst beim Entwurf des neuen ungarischen Mediengesetzes und der Zusammenlegung von Rundfunk, Fernsehen und offizieller Nachrichtenagentur zu nutze gemacht.

Böse Zungen sprechen von Gleichschaltung der ungarischen Medien. Ab 1. März bleibt bekanntlich nun auch der kritische Sender Klubradio stumm. Ihm strich der von Orbán kreierte Medienrat kurzerhand die Sendefrequenz. Frage: Ist das ein Zufall, ein demokratiepolitischer Unfall, oder wiederum ein Produkt spezifischer Orbánischer Begriffsverwirrung.