Staat außer Kontrolle: In Mexiko ermorden Kartelle ungesühnt JournalistInnen

Staat außer Kontrolle: In Mexiko ermorden Kartelle ungesühnt JournalistInnen

Blog von Rubina Möhring

Seit Mitte März ist zwar ein neues Gesetz zum Schutz von Medienschaffenden in Kraft, beeindruckt ist davon jedoch offensichtlich niemand

Erdosselt, enthauptet, verstümmelt – kaum eine Woche vergeht, in der nicht über Morde in Mexiko berichtet wird. Gewalttaten an JournalistInnen, Massenexekutionen an einfachen Bürgern. Immer stecken die Drogenkartelle dahinter. Selten weiß man, ob die Sicherheitskräfte so frei agieren, wie sie sollten. Ob nicht auch ihnen die Angst im Nacken steckt. Der Staat verliert die Kontrolle.

Die Kartelle morden ungesühnt. “49 enthauptete Leichen in Mexiko entdeckt”, lautete die Schlagzeile am 13. Mai. “15 enthauptete Leichen im Westen Mexikos”, 10. Mai. ” Fünf Tote bei Schießerei”, 6. Mai. Und: “Drei Fotoreporter zu Tode gefoltert”, 4. Mai. “Journalistin stranguliert”, 28. April. Ähnliches ist aus den Monaten zuvor zu berichten. In Mexiko ist die Würde der Menschen nicht mehr unantastbar.
 


Die Fotoreporter waren Gabriel Huge, Guillermo Luna und Estebal Rodriguez. Ihre verstümmelten Körper waren in schwarzen Müllsäcken in einem Kanal geschwommen. Die Journalistin Regina Martinéz war erhängt in ihrer Wohnung aufgefunden worden.

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Seit Mitte März ist zwar ein neues Gesetz zum Schutz von Medienschaffenden in Kraft. Beeindruckt ist davon jedoch offensichtlich niemand. Auge um Auge, Zahn um Zahn, lautet die Devise der organisierten Mafia. Wer schreibt, der stirbt, kommentiert die “taz” die zunehmenden JournalistInnenmorde.

Mexiko nimmt in der internationalen Rangliste von Reporter ohne Grenzen unter 179 analysierten Staaten Rang 149 ein. Es ist in der sogenannten westlichen Hemisphäre das gefährlichste Land für JournalistInnen. Selbst vor der Polizei sind diese nicht sicher. Im März wurden gleich sechs von den Sicherheitskräften gefährlich attackiert. Sie hatten eine Polizeiaktion gecovert. Ihre Namen: José de Jesús Cortéz, Aurturo Pérez Alonso, Jesús Cruz, Aejandro Vallafane, Othon Garcia und Esteban Marcial.

80 JournalistInnen wurden in den vergangenen zehn Jahren in Mexiko ermordet, 14 sind vermisst. Sie alle hatten über die kriminellen Machenschaften der Drogenkartelle berichtet. Über das engmaschige Netzwerk, das die organisierte Mafia in Staats- und Stadtverwaltungen, in Wirtschaft, Justiz und Sicherheitsapparat gesponnen hat.

Regina Martinéz hatte es sich zudem zur Aufgabe gemacht, unaufgeklärte JournalistInnenmorde zu recherchieren. An ihrem Todestag war noch ihr letzter Artikel erschienen. Thema: neun Polizisten, die im Sold der Mafia standen.

Gabriel Huge und Guillermo Luna hatten im Sommer vergangenen Jahres das Land vorübergehend verlassen, nachdem Lunas Freundin und Kollegin sowie ein Kolumnist samt Familie ermordet worden waren. Estebal Rodriguez hatte bei TV Azteca gearbeitet, einem Sender, der seit 2011 aus Sicherheitsgründen nicht mehr über die Kriminalität im Lande berichtete.

Keine Reaktion

All diese brutalen Morde fanden vornehmlich im Norden des Landes statt, wo das Kartell Zeta dominiert. Zeta, das sind ehemalige Militärs, die die Entführung unzähliger Migranten organisieren und im Drogenhandel kräftig mitmischen. Ihr Markenzeichen ist, dass sie ihre Feinde foltern, enthaupten, zerstückeln.

Dass die Fotoreporter in Gefahr waren, hatten Menschenrechtsorganisationen bereits bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gemeldet. Vergeblich. Weder das Innenministerium noch die Behörden hatten darauf reagiert. Das neue Gesetzt zum Schutz von JournalistInnen war da bereits in Kraft.

Den Respekt von Politikern kann man auch an deren persönlicher Einstellung gegenüber Medienmenschen ablesen. Präsidentschaftskandidat Pena Nieto soll noch als Gouverneur Medien geschmiert haben – für wohlmeinende Erwähnungen. Manche sollen das Geld genommen haben. Die Präsidentschaftswahl findet am 1. Juli statt.