Schlechte Zeiten für Pressefreiheit – Zensur im Dienst der Desinformation

Schlechte Zeiten für Pressefreiheit – Zensur im Dienst der Desinformation

Blog von Rubina Möhring

In Australien wird Zensur wieder gesellschaftsfähig. Einen Maulkorberlass für Medienarbeiter gibt es auch in der Türkei
Ost ist nicht West, Nord nicht Süd und Austria schon gar nicht Australia, auch wenn das manche noch immer nicht wahrhaben wollen. Verglichen mit Australien ist Österreich winzig, Australien im Vergleich zu Österreich riesengroß: über 23 Millionen Menschen leben dort auf gut sieben Millionen Quadratmetern. Nur für die Informations- und Pressefreiheit wird der Spielraum immer enger. Per Gesetz und im Namen so genannter Sicherheit. Zensur wird wieder immer mehr gesellschaftsfähig. Zensur im Dienst der Desinformation.
Die Frage ist, worüber darf in Australien noch berichtet werden und worüber nicht. Verdeckte Spezialeinsätze des Inlandsgeheimdienstes sind nun für die Berichterstattung tabu. Journalisten, Blogger und Informanten, die diese neue Gesetzgebung ignorieren, müssen mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen. Eine Anweisung des Geheimdienstchefs genügt fortan, um einen Spezialeinsatz als “verdeckt” einzustufen.

Aus ist es mit der Berichterstattung im Dienst des Rechtes auf Information seitens der Bürgerinnen und Bürgerinnen. Aus ist es mit jeglicher Transparenz, einer möglichen Vertuschung von geheimdienstlichen Fehlern oder gar Gesetzbrüchen hingegen sind nunmehr Tür und Tore geöffnet. Auch Geheimdienstler sind bekanntlich ganz normale Menschen mit ebenso ganz normalen Stärken und Schwächen. Vorbei ist es jedenfalls auch mit der demokratiepolitisch wichtigen Kontrollfunktion der Medien: Selbst bei Artikeln über längst abgeschlossene Einsätze können Journalisten jetzt bis zu fünf Jahren Haft ausfassen.
Haarsträubende Nachrichtensperre
Eine australische Besonderheit ist auch, dass Gerichte immer wieder Nachrichtensperren über verschiedene Themen verhängen. Manchmal wirken die Begründungen haarsträubend. So etwa kam – übrigens dank Wikileaks – heraus, dass am 19. Juni der Oberste Gerichtshof des Bundesstaates Victoria die Berichterstattung über einen Korruptionsskandal, in den 17 hochrangige asiatische Politiker verwickelt sind und waren, per richterlichen Beschluss kurzerhand für fünf Jahre unterband. Begründung: Schadensbegrenzung für die internationalen Beziehungen. Australische Bankmanager hatten offenbar mit enormen Bestechungsgelder Aufträge an Land zu ziehen versucht. Zensur also in einem Land das immerhin Platz 28 von insgesamt 180 analysierten Staaten auf der Pressefreiheits-Rangliste von Reporter ohne Grenzen.
Maulkorb auch in der Türkei
Wenn in der heutigen Türkei Journalisten und Journalistinnen Maulkörbe erteilt werden, erstaunt das leider inzwischen weniger. Schon gar wenn es um Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder der früheren Regierung des heutigen Präsidenten Erdogan geht. Neu ist allerdings, dass nun auch nicht mehr über die Arbeit jener parlamentarischen Untersuchungskommission berichtet werden darf, die den Korruptionsskandal, der im Dezember vergangenen Jahres geplatzt war, aufklären soll. Was immer dies heißen mag. Vier Minister mussten damals gehen, nachdem deren Söhne verhaftet worden waren: Der Europaminister sowie die Minister für Inneres, Wirtschaft und Umwelt. Bilal Erdogan, der Sohn des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan blieb unbehelligt. Sein Vater bekanntermaßen ebenfalls. Bilal Erdogans Stiftung hatte lediglich aus dem Ausland 100 Millionen Dollar erhalten, der Absender ist bis jetzt unbekannt.
Allen Sendern, Zeitungen und Nachrichtenagenturen wurde nun die Berichterstattung über die Untersuchungskommission verboten. Das ist das erste Mal seit 30 Jahren, dass im Zusammenhang mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission derart drastische Maßnahmen gesetzt werden. Als Begründung wird das Prinzip der Unschuldsvermutung genannt.
Acht Internetmedien und sieben Zeitungen berichteten dennoch. Der Leitartikler der Zeitung Hürriyet fühlt sich an die Praktiken der Militärdiktaturen erinnert, das Blatt listet eine Auswahl all jener Themen auf, die bereits aus “Sicherheitsgründen” der Zensur unterliegen . Kreuzworträtsel sind noch erlaubt.
“Eines der zentralen Elemente der Pressefreiheit ist der Kampf gegen Korruption”, meinte dieser Tage der Chef des norwegischen PRN-Clubs in Istanbul. Die Zensur, die über den parlamentarischen Untersuchungsausschuss verhängt wurde, sei absurd und könne so in keiner europäischen Demokratie passieren.
Kleine Frage: was macht eigentlich das neue österreichische Informationsgesetz?