Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert Versuche irakischer Behörden und Sicherheitskräfte, kritische Medienmitarbeiter einzuschüchtern. In den vergangenen Monaten haben Behördenvertreter und Politiker verstärkt juristische Verfahren gegen Pressevertreter angestrengt, die über Amtsmissbrauch und andere Missstände berichtet hatten. Zudem kam es zu einer Reihe von tätlichen Übergriffen gegen Journalisten durch Sicherheitskräfte.
„Diese Praktiken zielen darauf ab, Journalisten einzuschüchtern und Medien zu zensieren. Sie sind eine ernsthafte Verletzung des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit und müssen sofort beendet werden”, fordert ROG. Gewalt und Klagen seien für viele Medienmitarbeiter im Irak zum Alltag geworden. Im Juni hatte ROG in einem Brief an den irakischen Premierminister Nuri Al-Maliki bereits ein Ende der Übergriffe angemahnt und die Regierung des vorderasiatischen Landes zur Achtung grundlegender Rechte und Freiheiten aufgerufen.
Seit Beginn Mai zählt ROG mindestens sieben Klagen, die gegen Medien und Journalisten wegen kritischer Berichte erhoben wurden. Die Mehrheit der Gerichtsverfahren gegen Journalisten wurde auf Betreiben von Leitern staatlicher Institutionen, Politikern oder militärischen Führungspersonen eröffnet. So verklagte im Juni der Sprecher des Repräsentantenrates den Herausgeber der Zeitung „Al-Mada” sowie zwei Mitarbeiter des Blattes. Der Politiker nahm Anstoß an Artikeln, in denen unter anderem das Quotensystem bei der Auswahl der Abgeordneten, das Schachern um Posten sowie unzureichende gesetzliche Regelungen zur Reduzierung des Gehaltes der Parlamentarier kritisiert werden. In seiner Klage fordert der Politiker einen Schadensersatz bis zu umgerechnet 90.000 Euro.
Anfang Juli erhob der Generaldirektor des dem Industrieministerium untergeordneten „Institut für Ingenieurswesen” gegen die lokale Tageszeitung „Bagdad Al-Akhbariya” Klage. Das Blatt hatte eine Beschwerde von Mitarbeitern der Einrichtung und Dokumente veröffentlicht, die auf mögliche Fälle von Korruption innerhalb des Instituts hinwiesen. Der Institutsleiter verlangte von dem Medium anschließend einen Schadensersatz in Höhe von 150.000 Euro.
Darüber hinaus dokumentierte ROG im Juni und Juli mehrere Ausschreitungen gegen Journalisten sowie Einschränkungen von deren Bewegungsfreiheit, insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen. So schritten Sicherheitskräfte zum Beispiel am 10. Juni in Bagdad gegen Journalisten ein, die über Straßenproteste berichten wollten. Einige Medienmitarbeiter wurden geschlagen und bedroht, ihre Ausrüstung beschlagnahmt.
Nur wenige Tage zuvor hatte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard in einem Schreiben an den irakischen Premierminister seine Besorgnis über die gehäuften Übergriffe gegen Journalisten ausgedrückt: „Jede Handlung der Sicherheitskräfte, die Journalisten daran hindert, ihren Job zu tun, ist eine inakzeptable Verletzung der Meinungsfreiheit”, heißt es in dem Brief vom 6. Juni 2011. „Pressefreiheit ist eine wesentliche Komponente des demokratischen Prozesses, dem sich der Irak verpflichtet hat”, schreibt Julliard weiter.
Besonders prekär ist die Lage für Medienvertreter in der Autonomen Region Kurdistan im Norden Iraks. Seit Mitte Februar zählt ROG rund 50 körperliche Übergriffe gegen Journalisten in der Region sowie zahlreiche Verhaftungen. Die meisten Angriffe gehen auf das Konto von Polizisten und Sicherheitskräften. Viele der betroffenen Journalisten hatten über prodemokratische Proteste in der Region berichtet.