In einem neuen Bericht zum russischen Kaukasus beurteilt Reporter ohne Grenzen (ROG) die Lage der Medien in der Region als weiterhin „sehr besorgniserregend”. Zweieinhalb Jahre nach Veröffentlichung des letzten ROG-Berichts zu der Region sei ein anhaltendes Klima der Gewalt und eine weit verbreitete Korruption in den beiden russischen Republiken festzustellen. Dies erschwere die Arbeit von Journalisten oder mache sie in einigen Fällen gar unmöglich.
„Der russische Kaukasus ist heute ein ‚blinder Fleck’ in der internationalen Berichterstattung”, warnt ROG. Auffällig sei heute der „vollständige Mangel an Pluralismus” in der tschetschenischen Medienlandschaft. In Dagestan seien Journalisten Opfer der zunehmenden Gewalt. Dagestanische Journalisten beklagen darüber hinaus eine Zunahme von juristischen Verfahren sowie von Diffamierungskampagnen gegen sie.
Der 14-seitige, am 13. Oktober veröffentlichte, Bericht entstand nach einem Besuch von ROG-Mitarbeitern in Tschetschenien und Dagestan vom 9. bis 13. September 2011. Vor Ort führte ROG Interviews mit Journalisten, Regierungsvertretern und Menschenrechtsaktivisten.
Nach zwei Bürgerkriegen hat sich die Lage in Tschetschenien zwar stabilisiert und das Land ist in weiten Teilen wiederaufgebaut. Unabhängige Journalisten, Menschenrechtler und Teile der Zivilbevölkerung müssen dafür allerdings einen hohen Preis bezahlen: Menschenrechtsverletzungen und eine massive Korruption sind an der Tagesordnung, die autoritäre Führung und der Persönlichkeitskult um den Präsidenten Ramsan Kadyrow lassen wenig Raum für Andersdenkende. Die Medien sind weitgehend „zahnlos”: Brisante Themen werden kaum aufgegriffen, Selbstzensur unter Journalisten ist weit verbreitet. Zudem haben viele erfahrene, ausgebildete Journalisten während der Kriege das Land verlassen.
In Dagestan ist die Medienvielfalt deutlich stärker ausgeprägt als in Tschetschenien oder in der Kaukasusrepublik Inguschetien. Auf der anderen Seite sind von der steigenden Gewalt auch Journalisten betroffen. Seit dem Jahr 2000 wurden in Dagestan mehr als 15 Journalisten getötet – keiner der Morde wurde bisher aufgeklärt. Eine Reihe von Medien lässt sich aber davon nicht abschrecken und berichtet weiterhin kritisch. Einige der von ROG interviewten Medienmitarbeiter berichten zudem über gehäufte Klagen namentlich durch Unternehmen gegen unliebsame Berichte.
ROG beobachtet ferner eine bedrohliche Zunahme von verbalen Angriffen gegen Medien in Dagestan. Vor allem Medien, die das Tabuthema Terrorismus aufgreifen, laufen Gefahr, beschuldigt zu werden, mit entsprechenden Gruppen in Verbindung zu stehen.
Der Bericht schließt mit Empfehlungen an die dagestanischen, tschetschenischen und russischen Behörden sowie an die internationale Gemeinschaft zur Verbesserung der Lage der Medien im russischen Kaukasus. In dem Bericht hebt ROG die wichtige Rolle der Medien bei der Schaffung eines friedlichen Austauschs zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Kräften im Nordkaukasus hervor.
Lesen Sie hier den ROG-Bericht “Russian Caucasus. Media enmeshed in terror, threats and corruption”: