Der Bericht über die „Feinde des Internets”, den Reporter ohne Grenzen zum Welttag gegen
Internetzensur am 12. März veröffentlicht, geht deshalb in diesem Jahr
sowohl auf Staaten als auch auf Unternehmen ein.
Autoritäre Regierungen setzen zunehmend komplexe Technik ein, um unliebsame
Webseiten zu blockieren oder um kritische Journalisten und Blogger
auszuforschen und zu verfolgen. Oft sind es westliche Anbieter von
Sicherheitstechnologie, die die nötige Überwachungsinfrastruktur liefern
oder billigend in Kauf nehmen, dass ihre Produkte in die Hände notorischer
Menschenrechtsverletzer geraten.
„Der Einsatz solcher Technologien ist schon unter strenger rechtsstaatlicher
Aufsicht umstritten”, so ROG. „In den Händen autoritärer Regime verwandeln sie sich in digitale Waffen.” Die Europäische Union und die USA haben mittlerweile den Export von
Soft- und Hardware zur Internetüberwachung nach Syrien und in den Iran
verboten. Doch das ist zu wenig.
„Sanktionen gegen Krisenstaaten wie Syrien sind richtig, greifen aber zu
kurz”, so ROG weiter. „Reporter ohne Grenzen fordert die EU-Staaten auf,
den Export von Zensur- und Überwachungstechnik generell zu kontrollieren.”
Gleiches gelte für die USA. So sollten diese Technologien in das
Wassenaar-Abkommen über Exportkontrollen für konventionelle Waffen und
Dual-Use-Güter und -Technologien aufgenommen werden.
FEINDE DES INTERNETS: FÜNF STAATEN
Der diesjährige Bericht hebt fünf Staaten hervor: SYRIEN, CHINA, IRAN,
BAHRAIN und VIETNAM – die wichtigsten, aber keineswegs die einzigen Feinde
des Internets. Die Regierungen dieser Länder überwachen mit Hilfe von Späh-
und Zensurtechnologie gezielt Journalisten und Medien. Damit sind sie
verantwortlich für schwere Verstöße gegen die Presse- und
Informationsfreiheit und andere Menschenrechte.
In CHINA etwa werden Web-Anrufe mit der lokalen Version von Skype
automatisch auf Schlüsselwörter gefiltert und unter Umständen blockiert oder
mitgeschnitten. 69 Blogger und Online-Aktivisten sitzen dort zurzeit im
Gefängnis. Auch Telefone und E-Mail-Verkehr ausländischer Korrespondenten
werden überwacht. Der IRAN treibt seit September den Plan voran, ein
vollständig überwachtes und zensiertes „nationales Internet” zu schaffen.
Selbst Journalisten, die Präsident Mahmud Ahmadinedschad unterstützen,
geraten zunehmend zwischen die Fronten eines innenpolitischen Machtkampfs.
Der Golfstaat BAHRAIN hat offenbar die Computer von Oppositionellen und
Dissidenten mit Trojanern infiziert, die E-Mails mitlesen,
Internet-Telefonate abhören und sogar auf die eingebaute Kamera zugreifen
können.
Auch in demokratischen Staaten wächst die Bereitschaft, im Namen der
Bekämpfung von Online-Kriminalität die Informationsfreiheit im Internet
einzuschränken. So wirbt die Regierung der NIEDERLANDE für ein Gesetz, das
der Polizei weitreichende Befugnisse geben würde, Computer online zu
durchsuchen und Daten zu löschen – sogar im Ausland. In den USA wurde im
April 2012 in letzter Minute ein Vorhaben gestoppt, das die Weitergabe
umfangreicher Nutzerdaten erlaubt hätte; eine überarbeitete Fassung könnte
schon im Frühjahr im Kongress beraten werden.
Mit solchen Vorhaben spielen demokratische Staaten autoritären Regimen in
die Hände, die mit den gleichen Argumenten Kritik an ihren eigenen
Überwachungsregimen zurückweisen.
FEINDE DES INTERNETS: FÜNF UNTERNEHMEN
Zu den Feinden des Internets zählt der Bericht auch die IT-Sicherheitsfirmen
GAMMA INTERNATIONAL (UK/Deutschland), TROVICOR (Deutschland), HACKING TEAM
(Italien), AMESYS (Frankreich) und BLUE COAT (USA). Mit Produkten dieser
Firmen spüren autoritäre Regime kritische Journalisten auf, nehmen sie fest
und blockieren ihre Webseiten. Die Anbieter verkaufen ihre Software entweder
selbst an solche Regierungen und nehmen Übergriffe damit in Kauf, oder sie
haben es versäumt, den Export ihrer Software so zu kontrollieren, dass
Missbrauch ausgeschlossen ist.
Immer wieder berichten Journalisten und Dissidenten aus autoritär regierten
Staaten, dass sie in Verhören mit Protokollen ihrer vertraulichen
Skype-Telefonate, E-Mails oder SMS-Nachrichten konfrontiert wurden.
Recherchen von Journalisten und Bürgerrechtlern zufolge ist etwa in Ländern
wie Syrien, Bahrain oder Libyen Überwachungstechnologie eingesetzt worden,
die von westlichen Herstellern stammt.
Die Produkte mancher Hersteller (darunter Blue Coat und Amesys) sind zur
flächendeckenden Überwachung des Internets geeignet. Auf diese Weise können
etwa Nutzerprofile erstellt werden oder es lässt sich der Zugang zu
bestimmten Webseiten oder die Suche nach einzelnen Stichwörtern blockieren.
Die andere Art von Programmen (etwa von Gamma oder Hacking Team) zielt
darauf, mit Hilfe sogenannter Staatstrojaner einzelne Journalisten, Blogger
oder Dissidenten gezielt zu überwachen, indem die Programme etwa auf
Festplatten zugreifen, Passwörter ausspionieren, E-Mails mitlesen und
verschlüsselte Internettelefonate mithören. Auf diese Weise können
autoritäre Regime Journalisten aushorchen, ihre Informanten aufspüren und so
eine freie Berichterstattung behindern.
TWITTER-KAMPAGNE #writinghelps
Am 12. März geht www.writinghelps.com online, eine ROG-Kampagne der deutschen Sektion für Meinungsfreiheit im Internet. Auf der Website wird eine Onlinezeitung aus
allem entstehen, was Nutzer unter dem Hashtag #writinghelps auf Twitter
schreiben. So schaffen sie gemeinsam eine Zeitung, die unzensiert alles
enthält, was Menschen auf aller Welt und in allen Sprachen bewegt.
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
– Internationale ROG-Seite mit dem vollständigen Bericht “Feinde des
Internets 2013″ (auf Englisch/Französisch): http://surveillance.rsf.org/en/
– Bericht über die Feinde des Internets 2012
– Deutsche Fassung des Berichts
– Hintergrundpapier zur OECD-Beschwerde gegen Trovicor und Gamma