Reporter ohne Grenzen (RSF) hat in Schweden Strafanzeige gegen Eritreas Präsident Isaias Afewerki gestellt. Die Organisation wirft Afewerki sowie weiteren hochrangigen VertreterInnen des eritreischen Staates Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, weil sie den eritreisch-schwedischen Journalisten Dawit Isaak seit fast 20 Jahren ohne Kontakt zur Außenwelt festhalten. „Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich“ unterstützt die Strafanzeige.
Mit der Strafanzeige will RSF erreichen, dass die schwedische Justiz endlich ernsthaft zum Fall des eritreisch-schwedischen Staatsbürgers Isaak ermittelt und die Verantwortlichen wegen Folter, Entführung und erzwungenem Verschwindenlassen verfolgt. “Dawit Isaak ist Opfer eines repressiven Staatssystems. Die Verantwortlichen für das erlittene schwere Unrecht, das Dawit Isaak seit 19 Jahren ohne Prozess in einem eritreischen Gefängnis erduldet, müssen endlich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden”, sagt Hannes Tretter, Vorstandsmitglied bei “Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich” und Co-Gründer des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, der die Strafanzeige durch seine Unterschrift unterstützt. “Eritrea hat am 22. Jänner 2002 – also etwa ein Jahr, nachdem Dawit Isaak inhaftiert wurde – den UN-Pakt für zivile und politische Rechte ratifiziert, dessen Artikel 9 das Recht auf persönliche Freiheit und ein faires Verfahren garantiert, aber in seinem Fall massiv verletzt wurde und wird. Ohne Gerechtigkeit für Dawit Isaak wird der Kampf um Gerechtigkeit in Eritrea nicht vorankommen, das sehr wohl über die juristischen Mittel dazu verfügt.”
Dawit Isaak ist einer der am längsten inhaftierten Journalisten weltweit und ein prominentes Opfer der Repressionswelle, mit der die Regierung von Präsident Afewerki im September 2001 sämtliche privaten Medien in Eritrea auf einen Schlag verbot. Einzig die Staatsmedien dürfen seither Nachrichten verbreiten, doch auch sie sind streng zensiert. Aufgrund der Nachrichtenkontrolle sind die BürgerInnen in Eritrea der staatlichen Propaganda praktisch vollständig ausgesetzt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Eritrea auf Platz 178 von 180 Staaten.
Die Strafanzeige in Schweden haben zwei Anwälte im Namen von Reporter ohne Grenzen am Mittwoch (21.10) in Stockholm eingereicht. Neben Präsident Afewerki richtet sie sich unter anderem gegen den Außen- und den Informationsminister, die Justizministerin und einen Berater des Präsidenten. International bekannte Persönlichkeiten haben die Strafanzeige durch ihre Unterschrift unterstützt, darunter u. a. auch die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003, Shirin Ebadi, und der Direktor des Menschenrechtszentrums der Universität von Pretoria, Frans Viljoen.
Journalist seit fast 20 Jahren in Isolationshaft
Der Journalist und Dichter Dawit Isaak hatte nach der Rückkehr in sein Geburtsland Eritrea die reformorientierte Wochenzeitung Setit mitgegründet. In seinen Artikeln machte er sich wiederholt für politische Reformen stark. Im September 2001 wurde Isaak im Zuge einer politischen Säuberungsaktion gemeinsam mit weiteren Journalistinnen und Journalisten festgenommen und sitzt seitdem ohne Urteil oder Anklage in Haft. Nach RSF-Informationen sind sieben der damals Festgenommenen in der Haft gestorben. Laut der Aussage eines Gefängniswärters wurde Isaak zum letzten Mal im Jahr 2010 lebend gesehen.
Obwohl Isaak schwedischer Staatsbürger ist und trotz zahlreicher Anfragen blieb ihm in den letzten 19 Jahren der Kontakt zu schwedischen Diplomatinnen und Diplomaten, UN-VertreterInnen, AnwältInnen sowie zu seiner Familie verwehrt. Er wird vermutlich unter katastrophalen Bedingungen im Gefangenenlager Eiraeiro inmitten einer Wüstengegend festgehalten, wo brennend heiße Container als Gefängniszellen dienen.
Nachdem Schweden ein Gesetz über die weltweite Zuständigkeit seiner Gerichte in bestimmten Fällen verabschiedete, reichten Isaaks Anwälte dort bereits im Juni 2014 Klage gegen den eritreischen Präsidenten und seine engsten Mitarbeiter ein. Dennoch leitete die schwedische Justiz in Abstimmung mit dem Außenministerium in Stockholm keine Ermittlungen ein, weil dies „die Beziehungen Schwedens zu Eritrea beeinträchtigen“ und damit zugleich die Chancen verringern könne, Dawits Freilassung zu erreichen. „Dieses Argument ist nicht mehr gültig“, so RSF-Österreich-Präsidentin Rubina Möhring dazu. „Die schwedischen Behörden haben bisher nichts erreicht, weder Isaaks Freilassung noch die Möglichkeit, ihn zu besuchen oder einen Beweis dafür, dass er noch lebt. Die vielen Resolutionen und Verurteilungen durch internationale Gremien, darunter der UN-Menschenrechtsrat und die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker, haben auch nichts bewirkt. Eine strafrechtliche Untersuchung ist daher nun dringend erforderlich.“
Die im Namen von RSF eingereichte Strafanzeige soll die schwedische Justiz nun dazu drängen, die für das Schicksal von Isaak Verantwortlichen bei der Einreise nach Schweden festzunehmen und gegebenenfalls internationale Haftbefehle auszustellen, um sie in Schweden vor Gericht zu stellen.