Mit Verzögerung hat am 8. September auf den Philippinen der Prozess gegen
196 Angeklagte begonnen, die im vergangenen November mutmaßlich an dem
Maguindanao-Massaker beteiligt waren. Bei dem bewaffneten Angriff auf den
Konvoi von Unterstützern eines lokalen Politikers in der Provinz Maguindanao
auf der Südinsel Mindanao starben 57 Menschen – darunter 32 Journalisten.
Angesichts von 700 Personen, die in dem aufwändigen Verfahren vor Gericht
aussagen sollen, ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) die Behörden dazu auf,
ausreichend Mittel und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. “Nur
so kann gewährleistet werden, dass der Prozess innerhalb eines angemessenen
Zeitrahmens beendet wird. Zudem muss das Budget zum Schutz der Zeugen und
ihrer Familien erhöht werden”, fordert ROG.
Nach Abschluss mehrerer Anhörungsrunden im Vorfeld am 17. August, hatte
Richterin Jocelyn Solis-Reyes den Beginn des Prozesses für den 1. September
angesetzt. Eine verfahrensrechtlich gedeckte Verzögerung des Beginns um eine
Woche auf Betreiben der Verteidigung nährten Befürchtungen eines sich
hinziehenden Gerichtsverfahrens. Bereits jetzt wird mit Hinblick auf die
Anhörung von knapp 200 Angeklagten, rund 200 Zeugen der Anklage sowie 300
Zeugen der Verteidigung mit einem jahrelangen Prozess gerechnet.
Anwältin Prima Jesusa Quinsayas, die vor Gericht Familien von 17 getöteten
Journalisten vertritt, beklagt die Verzögerungstaktiken der Verteidigung:
“Sie bringen Befangenheits- und Nebenanträge vor – es wurden bereits acht
Anträge gestellt – und initiieren eigene Klagen vor anderen Gerichten.”
Quinsayas wurde vom “Freedom Fund for Filipino Journalists” (FFFJ), ein
Verband von sechs Medienorganisationen, mit der Vertretung der Opferfamilien
betraut.
Am ersten Verhandlungstag am 8. September wurde der Hauptangeklagte Andal
Ampatuan Jr. schwer belastet. Ampatuan Jr., der zum Zeitpunkt des Masskers
Bürgermeister in Datu Unsay in der Südprovinz Maguindanao war, soll das
Massaker an Anhängern eines gegnerischen Politikers angeführt haben. Dieser
war in den Wahlen zum Gouverneursamt gegen den Ampatuan-Clan angetreten.
Zum Prozessauftakt erklärte ein ehemaliger Hausangestellter der Ampatuans,
Lakmudin Saliao, einige Tage vor dem Massaker ein Gespräch zwischen Ampatuan
Jr. und dessen Vater, dem damaligen Gouverneur der Provinz Maguindanao,
belauscht zu haben. Darin sei der Angriff auf einen Konvoi des politischen
Rivalen besprochen worden. “Es ist ganz einfach, Vater. Wir töten sie alle,
wenn sie hierher kommen”, habe Ampatuan Jr. seinem Vater versichert.
Unterdessen ist die Familie des Zeugen Saliao aus Angst vor Racheakten
seitens des Ampatuan-Clans aus ihrem Heimatdorf geflohen. Bereits in den
vergangenen Monaten waren Zeugen der Anklage bedroht und eingeschüchtert
worden, andere sollten mit Bestechungsgeldern dazu bewogen werden, ihre
Aussagen zu Gunsten der Beklagten zu ändern.
Ein Mord und ein versuchter Mord an Verwandten von Zeugen der Anklage
unterstreichen die Notwendigkeit eines effektiven Zeugenschutzes. “Die
Anklage sieht sich vor der Herausforderung, nicht nur die nächsten
Familienangehörigen der vielen Zeugen sicher unterzubringen, sondern auch
die entferntere Verwandtschaft. Bei einer durchschnittlichen Familiengröße
von vier bedeutet das, dass Hunderte potenziell gefährdete Personen während
des Prozesses betreut werden müssen”, so die Anwältin Quinsayas.
Die Juristin sieht Chancen für ein gerechtes Urteil, wenn die Aufmerksamkeit
der nationalen und internationalen Öffentlichkeit anhält. “Das Massaker
eröffnet eine Chance, gegen Straflosigkeit in Aktion zu treten. Es ist ein
Testfall für die Regierung”, sagt Quinsayas.