Kampf gegen Straffreiheit – „Morde an Journalisten sind nur die Spitze des Eisberges“

Kampf gegen Straffreiheit – „Morde an Journalisten sind nur die Spitze des Eisberges“

Kampf gegen Straffreiheit – „Morde an Journalisten sind nur die Spitze des Eisberges“

„Morde an Journalisten sind nur die Spitze des Eisberges“ war die These einer hochkarätigen Podiumsdiskussion zum Thema Straffreiheit bei Verbrechen gegen Journalisten, organisiert vom Freundeskreis zur Sicherheit von Journalisten innerhalb der OSZE. Tatsächlich werden 85% der Morde in der OSZE-Region nicht aufgeklärt.

„Wo Journalisten getötet werden, sinken die Grundrechte der Bevölkerung normalerweise innerhalb zweier Jahre stark ab“, so Katharine Sarikakis, Professorin für Media Governance an der Universität Wien.  Sie stellte eine Datenbank vor, in der Aufzeichnungen über ermordete Journalisten weltweit seit 2000 zusammengeführt werden. Allein, dass es abweichende Zahlen dazu gibt, zeigt wie erschreckend gering die Abwesenheit der nötigen Aufmerksamkeit auf das Thema ist, so Sarikakis. 2294 Journalisten wurden zwischen 2000 und 2016 ermordet. Die Dunkelziffer dürfte noch wesentlich höher liegen, da nicht alle Verbrechen bekannt werden.

Nicht nur Morde zu beobachten, sondern auch andere Verbrechen gegen Journalisten sofort zu bestrafen, fordert Pavol Demeš, früherer slowakischer Außenminister und heute renommierter Vertreter der Zivilgesellschaft. Ihm ist es wichtig, bereits Diffamierungen und Hatespeech gegen Journalisten zu sanktionieren. Dem stimmt Sarikakis zu: „Normalisierung von verbalen Angriffen führt zu einer Delegitimation des Journalismus.“ Die Hemmschwelle für Morde sinkt dadurch.

Wenn Journalisten angegriffen werden, bleibt das nämlich in vielen Fällen straffrei, die Behörden reagieren oft träge oder gar nicht. Die Straffreiheit hat weitreichende Konsequenzen.  Einerseits führt die Nichtverfolgung von Verbrechen gegen Journalisten zu einer Atmosphäre der Angst unter Medienschaffenden, andererseits aber auch zu Selbstzensur. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Journalisten selbst, sondern auch auf die Bevölkerung und ihr Recht auf Information, ein Grundstein jeder Demokratie.

Als Beispiel dafür führt Pavol Demeš den Fall von Ján Kuciak an. Der Journalist und seine Verlobte waren im Februar brutal ermordet worden. Bis jetzt ist nicht genau geklärt, wer die Drahtzieher des Mordes waren. Stärker als die Ermittler reagierte die Zivilgesellschaft. Sie führte Ján Kuciaks Recherchen fort. Eben diese Zivilgesellschaft müsse mehr in den politischen Prozess integriert werden, so Demeš. Momentan werde sie oft als Störfaktor wahrgenommen, dabei gingen wesentliche Initiativen von ihr aus.

Konkrete Maßnahmen wünscht sich deshalb Jeremy Dear, Vorsitzender der International Federation of Journalists. Es brauche Spezialeinheiten um Verbrechen gegen Journalisten aufzuklären, eine unabhängige Justiz und Training für Gerichte zum richtigen Umgang mit solchen Fällen sowie vermehrten Polizeischutz für Journalisten selbst. Neben den Staaten seien aber auch Medienhäuser selbst in die Verantwortung zu nehmen, so Dear. Sie würden ihre Angestellten und vor allem Freelancer nicht über mögliche Risiken aufklären oder in der Lage sein, sie im Bedarfsfall zu schützen. Eine Verbesserung erhofft er sich vor allem durch ein enges Netzwerk von Medien vor Ort.

Dass Journalisten solidarisch zusammenarbeiten sollten, unterstrich auch Aidar Botagarov vom Büro des OSZE Medienbeauftragten Harlem Désir. Nur so könne das wichtige Thema der Sicherheit von Medienschaffenden langfristig im Zentrum der Aufmerksamkeit bleiben. Befragt nach der Situation des ORF in Österreich, betont er, dass auch zahlreiche andere OSZE-Länder Schwierigkeiten bei der Enwicklung öffentlich-rechtlicher Medien hätten.

Die Probleme sind von Land zu Land oft recht unterschiedlich, nicht einmal auf eine Definition von Journalismus konnte man sich bisher einigen. Als mögliches gemeinsames Ziel bleibt der Medienunterricht schon in Volksschulklassen, betont Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. „Wir brauchen eine nachhaltige Medienerziehung für die kommenden Generationen. Wir alle müssen lernen, seriöse Informationen von Aktionismus zu unterscheiden.“