Ö1-Protest trotz Maulkorberlass auf Youtube

Ö1-Protest trotz Maulkorberlass auf Youtube

RedakteurInnen widersetzen sich dem Kaputtsparen – ORF schwelgt in schwarzen Zahlen

Schon gehört? Die Liebe der Ö1-RedakteurInnen zu ihrem öffentlich-rechtlichen Sender und ihr Kampf um Qualitätssichersicherung, zu finden auf Youtube. Schon vernommen? Die Ruckzuck-Reaktion der ORF-Geschäftsführung: Ankündigung dienstrechtlicher Konsequenzen. Oh Himmel! Maulkorb statt Kommunikation in der nationalen Medienorgel. Dies zum Thema innermediale Meinungsfreiheit.


Worum geht es: Vordergründig um die Einsparung spätabendlicher SprecherInnen-Dienste und den befürchteten Austausch gesprochener Sendungen durch Musik. Langfristig um die Angst vor dem Kaputtsparen und einem boulevardesken Waschprogramm für den öffentlich-rechtlichen Kultursender. Alles übertrieben, meinen die EntscheidungsträgerInnen. Wehret den Anfängen, die RedakteurInnen. Auch die versprochene Aufwertung der MitarbeiterInnen-Honorare hängt noch immer in der Luft. Warum eigentlich: der ORF schreibt, wie dieser Tage stolz verkündet, schwarze Zahlen. Warum ist da kein Geld übrig zumindest für Peanutskosten bei Ö1. Bringen schwarze Zahlen Boni?

“Lichtfasten” angesagt?

Für die MitarbeiterInnen ist offenbar “Lichtfasten” angesagt. Speziell folgendes Weiterbildungsprogramm könnte durchaus hilfreich sein: Leben ohne Wasser und Brot – sprich ohne adäquates Gehalt – stattdessen esoterische Kraft durch Licht, woher auch immer dieses, zumal im Winter, kommen mag. Dass der ORF-General die dieser Tage ausgestrahlte TV-Dokumentation zum Thema “Lichtnahrung” als “Schwachsinn” bezeichnete, steht auf einem anderen Blatt.
Ö1-Audio-Vision

Ebenso die Konsequenz eines auf Jahre hochgerechneten Sparprogramms. Audio-Vision eines künftigen Ö1-Qualitätswettbewerbes:

    Der Publikumspreis geht an “Piep sagt die Maus – mampf der Rattenfänger”,
    der Jurypreis an “Frühlingserwachen im Frequenz-Gestrüpp”.
    Als bester Sprecher, beste Sprecherin wird die vom Flaggschiff Fernsehen ausgeliehene Simultandolmetscherin für Hör- und Sprechbehinderte ausgezeichnet. Dass sie im Radio nicht zu sehen ist, spielt keine Rolle – sie kostet nichts.

Donauwalzer wird Programm-füllend

Angesichts des epidemisch verbreiteten, chronischen Stimmverlustes fallen die ModeratorInnen wieder einmal aus. Der zunächst als Hintergrundteppich geplante Donauwalzer wird Programm-füllend. Hin- und wieder mischt ein subversiver Archiv-Fuzzi noch Fahnen-Flatterei unter. Ähnlich dem – Gott habe es selig – einstigen TV-Sendeschlusszeichen zur Nationalhymne: Donauwalzer zu windbewegter Österreich-Flagge.

Soweit so gut, wären da nicht die Nachbarn. Ungarn linst sicher aufmerksam über die gemeinsame Grenze: Aha, auch das ORF-Radio schaltet auf musikalische Weichspüler um. Dort geht das glatt, wir werden deswegen mit Vorwürfen überschüttet. – So schnell können pragmatische Sparmaßnahmen ideologischen Fehlinterpretationen dienen. Daran wird auch die Protest-Demonstration am 15. März vor der ungarischen Botschaft leider nichts ändern.
Auszeichnung für klugen Widerstand

Selbst die wahrlich nicht demokratisch orientierte einstige Kaiserin Maria-Theresia zeichnete übrigens klugen Widerstand mit einem nach ihr bezeichneten Orden aus. Wie wäre es, wenn der ORF konstruktive Kritiken interner Fachkräfte konstruktiv wahrnähme? Wenn geht, bitte mit Sahne und unter Verzicht auf symbolisches Kleingeld. (Rubina Möhring, derStandard.at, 8.3.2013)