Blog von Rubina Möhring
Journalistisches Prekariat gefährdet Pressefreiheit und Meinungsvielfalt
Ja, nun ist die Katze aus dem Sack: Österreich ist im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen International von seinem bisher formidablen Platz fünf auf Rang zwölf abgerutscht. Das demokratiepolitische Musterschüler-Image ist perdu. Warum? Weil sich auch hier – in einem der reichsten Ländern der Welt – aufgrund wirtschaftlicher Pressionen mögliche Zensur sowie die Tendenz zu einem journalistischen Prekariat abzeichnen: Eine Klassengesellschaft zwischen angestellten und so genannt “freien” Journalist/innen sowie Online-Redakteur/innen.
“Mama, warum hast du so wenig Geld, obwohl du so viel arbeitest?” zitiert DER STANDARD Kinder einer “freien” ORF-Journalistin. Ebenfalls diese Woche machte ein ehemaliger ORF-Grande Schlagzeilen. Er hatte per Gericht erfolgreich Sonderdotationen eingeklagt, die ihm vor inzwischen vielen Jahren von einem ebenfalls ehemaligen ORF-Generaldirektor locker vom Hocker zugesichert worden waren. Aus welchen Gründen auch immer. Bemerkenswert, wie in diesem Fall mit öffentlich-rechtlichen Geldern umgegangen wurde. Die heutige ORF-Führung muss jetzt den damaligen Kuhhandel ausbaden, zahlt wacker an die 700.000 Euro in die Pensionskasse des Klägers. Gutes Geld wird da aus dem Fenster geworfen, meinen manche. Die “freien” ORF- MitarbeiterInnen müssen weiter warten.
Bravo dem Kläger
Der wohlbestallte Herr hat also einen prinzipiellen Rechtsstreit erfolgreich ausgefochten. Im Sinne einer Einsicht in manche öffentlich-rechtliche Finanzgebarung war dies auch gut so. Insofern Bravo dem Kläger. Tatsächlich anerkennenswert wäre gewesen, wenn diese beeindruckende, vom Gericht bestätigte Summe im Sinne Aller zweckgebunden hätte erstattet werden müssen. Warum nicht für die längst fällige Erhöhung der Hungerlöhne “freier” ORFlerInnen? Bei dem Prozess ging es ja, wie anzunehmen ist, nicht um Eigennutz sondern um Transparenz.
Unverhältnismäßigkeit von “oben” und “unten”
Warum ich diesen Fall zitiere? Um auf die Unverhältnismäßigkeit von “oben” und “unten” im journalistischen öffentlich-rechtlichen Bereich hinzuweisen. Auf Postenvergaben und entsprechende Sonderverträge, die vielleicht auch aus politischen Ecken eingeflüstert werden können. Nicht nur aber der öffentlich-rechtliche ORF, vor allem das Interesse an dessen Postenbesetzung seitens mancher Politikbetreibenden trug dazu bei, dass Österreich im internationalen Pressefreiheits-Ranking absackte. Leider.
Positive Vorbildrolle?
Österreich ist mit solchen Praktiken nicht allein zu Hause, kann man natürlich sagen. Fragen kann man aber auch, warum Österreich innerhalb der EU nicht zumindest in solchen Finanz-Angelegenheiten zur Abwechslung eine positive Vorbildrolle anpeilen könnte. Vielleicht auch in Sachen Presseförderung, deren Neuregelung offenbar länger Zeit braucht als die angesagte, sicherlich nicht weniger schwierige Heeresreform.
Das wäre doch etwas: Zur Festigung der viel zitierten, vierten Demokratie-Säule, zum Schutz eines unabhängigen, kritischen Journalismus, im Sinne eines Selbstreinigungsprozesses von mit Steuergeldern freizügig verfahrenden Politiker/innen. Zu schön, um wahr zu werden? (Rubina Möhring, derStandard.at, 31.1.2013)