Medienpolitik im Westentaschenformat

Medienpolitik im Westentaschenformat

Blog von Rubina Mörhing
   
Aschermittwoch mitten im ORF-Sommer – Samt öffentlich-rechtlichem Aschenkreuz

Westentaschen-Murdochs nennt der noch amtierende und mangels Kandidatenmasse wahrscheinlich wieder zu wählende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz Österreichs private TV-Betreiber. Was für ein seltsamer Rückgriff in die rhetorische Mottenkiste des verblichenen Rechtspopulisten Jörg Haider. Liegen in der ORF-Zentrale nur die Nerven blank oder will damit subkutane politische Nähe demonstriert werden – bedenklich ist diese Wortwahl aus dem Mund eines öffentlich-rechtlichen Medienmannes allemal.

Wir erinnern uns. Im Jahr 2000, damals als die FPÖ Junior-Regierungspartner der ÖVP wurde, hatte Jörg Haider in seiner traditionellen Aschermittwochsrede nicht nur seinen Abgang von der Parteispitze eindrucksvoll bestätigt, er hatte auch den damaligen – übrigens hoch gewachsenen – französischen Präsidenten Jacques Chirac als Westentaschen-Napoleon abqualifiziert. Peinlich aber doch, das war damals eine politische Abschiedsrede eines kleinstaatlichen, “Westentaschen”- Politikers. Der bisherige ORF-Generaldirektor will jedoch nicht ab- sondern wieder antreten.


Verglichen mit dem ORF sind die österreichischen Privatsender nach wie vor Zwerge in der österreichischen Medienlandschaft. Rupert Murdoch hingegen ist ein internationaler Medienmogul. Die fragwürdigen Praktiken und politischen Einflussnahmen der Murdoch-Presse sind inzwischen wohlfeil bekannt. Warum also dieser unverhältnismäßige Vergleich? Bleibt zu hoffen, dass dieser rhetorische Ausfall kein Hinweis für eine künftige Medienpolitik im Westentaschenformat ist.

Ob und wie sich der ORF-Generaldirektor seine Ätzes aus welchen Parteizentralen holt, ist insofern unerheblich. Wichtig ist, dass die ihm untergebenen Redaktionen im Sinne des Objektivitätsprinzipes entscheidungsfrei bleiben und dass künftig im ORF bei der Personalauswahl transparente Qualifikationskriterien statt politischer Sesselschiebereien samt Sitzproben ausschlaggebend sind.

Einschaltquoten sind parteiunabhängig. Mündige Medienkonsumenten ebenso. In Norwegen verweigern Medienkonsumenten inzwischen Aufmacher, die sich auf den rechtsradikalen Massenmörder von Oslo konzentrieren. Zeitungsverkäufer drehen entsprechende Blätter einfach um.

TV-Konsumenten drehen irgendwann einfach ab. Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Insofern könnten auch in Österreich eines Tages vielleicht tatsächlich Zwerge zu Riesen werden. So unwahrscheinlich dies derzeit auch scheinen mag. Warten wir die künftigen ORF-Strategien ab. Der 9. August, die Wahl des ORF-Generaldirektors, ist, mitten im Sommer, ORF-Aschermittwoch samt öffentlich-rechtlichem Aschenkreuz. (Rubina Möhring, derStandard.at)