Medien an den Pranger gestellt: Jean Ziegler geißelt einäugige Information

Medien an den Pranger gestellt: Jean Ziegler geißelt einäugige Information

Die Medien satter Gesellschaften ignorieren Hungerdesaster genauso wie die üblen Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln

Ja, Jean Ziegler hat schon Recht, wenn er bei den Österreichischen Medientagen jovial aber doch sehr ernst gemeint die so genannte Journaille geißelt. Nicht nur diese, sondern auch die so genannte seriöse Journalistik. Also beider auflagenorientierter Ignoranz gegenüber globalen Not-Themen. Allfällige lokale Mörder-Beziehungskisten werden auflagenorientiert und entsprechend lustvoll zu Schlagzeilen aufgemotzt, weltweit reale Tragödien bleiben weitgehend ausgeblendet. Das ist kein gutes, mediales Selbstbild. Im Gegenteil.


Alle fünf Sekunden, so Ziegler, verhungert weltweit ein Kind unter fünf Jahren. Täglich sind dies 57.000. Eine Milliarde Menschen sind generell unterernährt. Gottlob irgendwo anders, also ganz weit weg. Die Medien satter Gesellschaften ignorieren diese Hungerdesaster genauso wie die üblen Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln, die auf Kosten von Armut und Hunger weniger entwickelter Bevölkerungen schamlos Gewinne erzielen. Wozu Horror-Berichterstattung aus Ländern, die uns vermeintlich nichts angehen, an deren Verlusten wir möglicherweise sogar verdienen.

Vierte Macht versagt

Das Argument, dass wir inzwischen längst in einer globalen Gesellschaft leben, bleibt dabei auf der Strecke. Damit versagen die Medien auch in ihrer demokratiepolitischen Rolle als so genannte Vierte Macht, als weitsichtig kritisches Kontrollorgan. Lieber nationale Nabelschau als globales Verantwortungsbewusstsein.

Entsprechend national orientiert war die hochkarätig besetzte Expertenrunde am frühen Nachmittag. Thema war die Krise im Bereich der Printmedien. Statt gemeinsam zukunftsorientierte Strategien zu entwickeln, verebbte das Gespräch in alltäglichen, kleinkarierten verbalen Schlagabtauschen. Schade. Das Forum für Visionen wäre gegeben gewesen.

Nationale Nabelschau

Nationale Nabelschauen dieser Art bergen die Gefahr leerer Kilometer, sind aber dennoch aufschlussreich. Zum Schluss wusste das Auditorium zweifellos: Wir sind wir und der Rest der Welt ist ganz woanders. Lang lebe Österreich als Insel angeblich Seliger, wo offenbar jeder mit jedem verbandelt ist – Politiker mit Journalisten, Journalisten mit Wirtschaftstreibenden usw. Lauter Amigos. Kein gutes Zeugnis für die Freiheit österreichischer Medien. Österreich ist offenbar eine einzige große Familie, innerhalb derer keine professionellen Grenzen gezogen werden. Oder doch? Immerhin wurde dem STANDARD Unabhängigkeit attestiert.

Alle fünf Sekunden verhungert auf dieser Welt ein Kind unter fünf Jahren. Ist das hierzulande – auch im STANDARD – eine Schlagzeile wert? Nein. In Österreich sind derzeit vornehmlich nationale, demokratiepolische Probleme angesagt. Saure Wiesen werden nicht trocken gelegt sondern zugeschüttet.

Bisher war Österreich demokratiepolisch kein Schwellenland. Wir werden sehen, wie die Medien in der kommenden Vorwahlzeit landesweit berichten werden. Ob unabhängig von den politischen Präferenzen ihrer Eigentümer oder nicht.