Massensterben im Blätterwald

Massensterben im Blätterwald

Blog von Rubina Möhring

In Serie werden Zeitungen eingestellt und
JournalistInnen entlassen – leidtragend ist die Pressefreiheit und
damit die Öffentlichkeit

Kaum eine Woche ohne Horrormeldung aus
der Zeitungsbranche. Fast schon in Serie werden Zeitungen eingestellt,
Redaktionen zusammengelegt, JournalistInnen entlassen. Zunehmend mehren
sich die Todesanzeigen in eigener Sache. Ein neues Prekariat entsteht,
nicht nur auf dem journalistischen Arbeitsmarkt, auch in der allein
gelassenen Leserschaft. Je weniger Zeitungen, um so weniger
Informationsvielfalt für uns alle. Das Massensterben im Blätterwald ist
eine systemimmanente Bedrohung der Informations-, der Pressefreiheit.
Qualitätsorientierte Presseförderung ist mehr denn je notwendig –
zumindest in der EU.


Aus der Traum

Erster Donnerschlag in diesem Herbst: das
renommierte US-Nachrichtenmagazin “Newsweek” teilt mit, nach 80 Jahren
wird die Printausgabe eingestellt, online bleibt das Blatt erhalten. Die
traditionsreiche “Frankfurter Rundschau” meldet Konkurs an, wir
erinnern uns an die Bilder der verzweifelten, weinenden RedakteurInnen.
Jüngsten Meldungen zufolge ist der Konkursverwalter ratlos, weil
überhaupt kein Geld mehr vorhanden ist.

Am 7. Dezember erscheint
die letzte Ausgabe der deutschsprachigen “Financial Times”. Aus der
Traum. Via Internet werden verbliebene Redaktionsutensilien versteigert.
Die MitarbeiterInnen werden kaum mithalten können. Sie werden
entlassen. Insgesamt kündigt der Mutter-Konzern Gruner & Jahr in
diesem Zusammenhang grosso modo 360 VerlagsmitarbeiterInnen. Im Namen
des G & J-Vorstandes bedauert Julia Jäkel, es gehe ein bedeutendes
Kapitel deutscher Publizistik zu Ende. Was sollen sich die geschassten
MitarbeiterInnen dafür kaufen?

Nun kündigt auch   d a s  
deutsche Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” wegen rückläufiger Umsätze
einen strikten Personalabbau an, ein solcher sei zumindest nicht
ausgeschlossen. Spiegel-TV muss jedenfalls bereits 40 Stellen einsparen.
Selbst die Axel-Springer-Gruppe will mehrere, noch nicht namentlich
genannte, hauseigene Blätter zusammenlegen.
Der Arbeitsmarkt wird sehr eng

Und
in Österreich? Auch hier wird kräftig eingespart. Die Tageszeitung “Die
Presse” und das “Wirtschaftsblatt” wurden im diesjährigen Sommer
zusammengelegt, die Redaktionen sollen, laut Mutterkonzern Styria,
weitgehend getrennt bleiben, Personalabbau ist nicht ausgeschlossen.
Auch im kleinen Österreich wird der Arbeitsmarkt zunehmend eng, sehr
eng.
Hungerlöhne in Italien

Blick über die Grenzen: Italien.
Dort erhalten freie JournalistInnen für Artikel inzwischen nur noch
zwischen 50 Cent und acht Euro bezahlt. Das ist keine Horrorvision
sondern Realität. Selbstmorde angesichts solcher Hungerlöhne und
Perspektivlosigkeiten sind nicht ausgeschlossen. Erschütternd.
“Signal für Europa”

Um
auch auf diese Entwicklung hinzuweisen, verleiht Reporter ohne Grenzen
Österreich am 6. Dezember im Presseclub Concordia den “Press Freedom
Award – Signal für Europa” an zwei italienische Journalistinnen. Der
Nachbarstaat Italien ist Gründungsmitglied der EU. (Rubina Möhring,
derStandard.at, 1.12.2012)