Marx-Murks: ORF torkelt in Standort- und Sinnkrise

Marx-Murks: ORF torkelt in Standort- und Sinnkrise

Blog von Rubina Möhring

Das ORF-Zentrums in Wien-Hietzing muss saniert werden

Der Generaldirektor ruft “Hü” und gibt dem ORF in Richtung Marxer Schlachthöfe Sporen, die Gegner erwidern “Hott” mit Gegenargumenten

Marx-Murks – nur so lässt sich inzwischen das endlose Hickhack rund um die nicht enden wollende Frage benennen: Wohin mit dem medialen Flagschiff ORF. Der Generaldirektor ruft “Hü”, gibt dem Unternehmen in Richtung Marxer Schlachthöfe Sporen. “Hott” erwidern seine Gegenspieler mit nicht minder erwägenswerten Gegenargumenten. Zunehmend torkelt der öffentlich-rechtliche ORF in eine handfeste Standort- samt fundamentaler Sinnkrise. Frei nach dem Motto: was die EU samt Euro-Krise kann, können wir als medialer Austro-Minimundus allemal.


Zu hoffen ist, dass der ORF in Sachen Imageverlust nicht wesentlich mehr Federn lassen muss. Dies in jeder Hinsicht. Die Gebühren werden erhöht, die Inhalte treten in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund. Von größerem Interesse ist, wo der ORF künftig seine Schaltstellen-Zelte aufschlagen wird. Auf diese Frage wird derzeit die Bedeutung des ORF reduziert und kommuniziert.

Ärger um interne ORF-Kommunikation

Auch um die interne ORF-Kommunikation ist es derzeit offenbar nicht zum Besten gestellt. Ein Teil der Belegschaft – “Rettet das Funkhaus” – verweigert sich der intern angesagten Standort-Dressur. Andere qualifizierte ORFniks verabschieden sich vorsichtshalber noch vor dem finalen Showdown im Übersiedlungs-Parcourt. Sie verlassen das öffentlich-rechtliche Flaggschiff, heuern flugs bei privaten Sendern an. Schade.

Gut ist dies für das gesamte Image des ORF nicht. Souverän im Sinne eines lebendigen innerbetrieblichen Diskurses wirkt noch weniger, dass versucht wird, die Plattform “Rettet das Funkhaus” auf den hausinternen Computern abzuwürgen. So etwas bringt nur unnötigen Ärger und sonst gar nichts. Immerhin hat die Aktion derzeit bereits an die 7000 in- und externe UnterzeichnerInnen. Das ist ein klares Statement.

Kompromiss innerstädtische ORF-Newszentrale?

Wie wäre es – ORF-in und -extern – statt kraftraubender Machtkämpfe mit einem, dem nationalen Leitmedium dienlichen, sinnvollen, imagefördernden Kompromiss? Warum diese Verhärtung der Fronten, dieser Mangel an Souveränität und Flexibilität? Warum will der ORF partout – der Philosophie von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser folgend – das “Familiensilber” verscherbeln um sich anderswo teuer einzumieten? Warum keine Neudefinition des Funkhauses zum Beispiel als innerstädtische ORF-Newszentrale? So könnte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch kostenbewusst das Stadtstudio ersparen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

MitarbeiterInnenabbau und Informationseinerlei

Stattdessen nur der Insel-Blick nach innen, nicht jedoch nach außen? Anderswo wurden sogar erfolgreich zuvor autonome öffentlich-rechtliche Bundesländer-Anstalten fusioniert, siehe der SWR in Baden-Württemberg. Beide Vorgänger-Institutionen blieben innerhalb dieser Zusammenlegung in ihrem autonomen Selbstverständnis erhalten. Beim ORF geht es derzeit um eine im Wiener Zentrum gnadenlos angepeilte Fusion von TV, Radio & Internet. Manche Kenner unken, vornehmliches Ziel sei MitarbeiterInnenabbau und kostensparendes Informationseinerlei. Wertschätzung von Inhalten rangiere unter dem Begriff Gedankenverschwendung.

Auf dem Spiel steht dabei vieles: die Glaubwürdigkeit des nationalen öffentlich-rechtlichen Mediums, dessen vielfältige Information vorbehaltlos als freie Information garantiert sein sollte. Auch in diesem – demokratiepolitisch eminent wichtigen – Sinn ist die bisher gepflegte Übersiedlungsrederei rundum kontraproduktiv. Bleibt der ORF in deren Fängen, rutscht die Diskussion um Inhalte noch weiter auf der Imageskala hinunter. Diese jedoch sollten den ORF auszeichnen, nicht Schlagzeilen über nebulöse Standortpräferenzen – als Nebelwerfer für ernsthaft zu hinterfragende, interne Struktur- sprich Sparmaßnahmen anstelle inhaltlicher Qualitätserhaltung oder gar -steigerung. Hoch im Kurs steht derzeit leider nur der Marx-Murks. (Rubina Möhring, derStandard.at, 3.6.2012)