Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßt die Einigung zwischen Regierung und FARC-Rebellen in Kolumbien als Beitrag zum Kampf gegen Straflosigkeit für Gewaltverbrechen an Journalisten in dem südamerikanischen Land.
“Diese Einigung ist ein wichtiger erster Schritt, damit Gewalttaten an Journalisten in Kolumbien endlich verfolgt werden“, so ROG-Österreich Präsidentin Rubina Möhring. “Breite gesellschaftliche Akzeptanz wird das geplante Friedensabkommen nur dann finden, wenn Journalisten ohne Furcht vor Drohungen oder Vergeltung ihren Beitrag zur Aufarbeitung Bürgerkriegsverbrechen leisten können,“ so Möhring weiter.
Zu den wesentlichen Zielen des nun vereinbarten juristischen Rahmens zur Aufarbeitung des Konflikts gehört laut der gemeinsamen Erklärung beider Seiten, die Straflosigkeit zu beenden und die Verantwortlichen für schwere Straftaten während des Bürgerkriegs zu bestrafen. Von einer geplanten Amnestie für politische Verbrechen sollen schwere Verbrechen wie Geiselnahmen, Folter, gewaltsames Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen ausdrücklich ausgenommen werden.
59 MORDE AN JOURNALISTEN SEIT DEM JAHR 2000
Seit dem Jahr 2000 wurden in Kolumbien mindestens 59 Journalisten ermordet. Mit Drohungen und Gewalt muss etwa rechnen, wer unliebsame Informationen über mächtige Lokalpolitiker veröffentlicht. Auch paramilitärische Gruppen wie Los Urabeños oder Aguilas Negras haben Journalisten wiederholt zu “militärischen Zielen” erklärt. Allein in diesem Jahr wurden schon drei Journalisten ermordet.
Zuletzt traf es die 25-jährige Radiomoderatorin Flor Alba Núñez, die am 10. September von Unbekannten erschossen wurde, als sie gerade das Gebäude ihres Senders Radio Preferida FM in der Stadt Pitalito betreten wollte. Verwandte berichteten, sie habe Drohungen erhalten, nachdem sie auf ihrer Facebook-Seite Fotos der Verdächtigen für einen Raubüberfall veröffentlicht hatte. Auch andere Motive kommen in Frage.
SCHUTZPROGRAMME FÜR JOURNALISTEN GREIFEN NICHT
Ende August hatten Reporter ohne Grenzen, der Kolumbianische Journalistenverband (Federación Colombiana de periodistas, FECOLPER) und die in Bogotá ansässige Stiftung für Pressefreiheit (Fundación para la Libertad de Prensa, FLIP) eine Reihe von Reformvorschlägen für das seit 15 Jahren bestehende Regierungsprogramms zum Schutz gefährdeter Journalisten vorgelegt. In zwei ausführlichen Untersuchungen kamen die drei Organisationen zu dem Ergebnis, dass das Programm als ineffektiv und mangelhaft ist und an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeigeht. So wurden von 388 Drohungen gegen Journalisten, die das Justizministerium zwischen dem Jahr 2000 und Mitte August 2014 registrierte, nur in einem einzigen Fall die Verantwortlichen verhaftet.
Zu den vielen Problemen des Schutzprogramms gehören unzureichende finanzielle Mittel, Korruption, Fehlentscheidungen, Probleme bei der Einschätzung von Gefährdungen und der Wahl geeigneter Gegenmaßnahmen sowie sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerungen. Auch konzentriert sich das Programm zu einseitig auf Schutz und sicheres Geleit für die Betroffenen, ohne sich auch für Gewaltvorbeugung sowie für eine effektivere juristische Verfolgung der Drohungen und Angriffe gegen Journalisten einzusetzen.
SCHLEPPENDE JURISTISCHE AUFARBEITUNG IM FALL CLAUDIA DUQUE
Selbst wenn sie stattfindet, verläuft die juristische Aufarbeitung von Verbrechen an Journalisten in Kolumbien bislang sehr schleppend. So wird der Prozesses gegen ehemalige hohe Geheimdienstmitarbeiter wegen psychologischer Folter der Investigativjournalistin Claudia Duque von Verzögerungen, Behinderungen der Justiz und neuen Drohungen begleitet. Duque war von 2001 an wegen ihrer Recherchen zur Verwicklung des Inlandsgeheimdienstes DAS in den Mord an dem Journalisten Jaime Garzón zwei Jahre zuvor mit massiven Drohungen überzogen worden. Einmal wurde sie kurzzeitig entführt, dreimal musste sie vorübergehend ins Ausland fliehen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Kolumbien auf Platz 128 von 180 Staaten.