“Illegitime” JournalistInnen, gibt’s die?

“Illegitime” JournalistInnen, gibt’s die?

Blog von Rubina Möhring

Israel schuf neue mediale Klassengesellschaft – In Wien bereitete die UN einen Aktionsplan zum Schutz für JournalistInnen vor

Die Bezeichnung “illegetim” für außereheliche Kinder als Kinder zweiter Klasse ist eine längst aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwundene Formulierung. Sollte es zumindest sein. Nun findet sich plötzlich die Wortschöpfung “illegitime JournalistInnen”. Gibt es die überhaupt? Laut einem Sprecher der israelischen Armee offenbar ja. Illegitime Medienmenschen seien zum Beispiel Berichterstatter des zur Hamas gehörenden Fernsehsenders Al-Aksa-TV. Deshalb seien auch sie Feindbild, also Freiwild. Eine willkürlich geschaffene Klassengesellschaft unter JournalistInnen tut sich da auf. Hoffentlich war dieser verbale Ausrutscher einmalig.


Journalisten sind kein Freiwild

Gezielt wurde in Gaza-Stadt kürzlich von der israelischen Armee ein als Pressefahrzeug gekennzeichneter Produktionswagen beschossen. Zwei Kameramänner starben. Aus Sicht von Reporter ohne Grenzen ist dies ein klassischer Fall eines Kriegsverbrechens im Sinne der Genfer Konvention. Journalisten sind kein Freiwild, selbst wenn sie für Gegner arbeiten. Weder in Kriegen noch im Lande selbst. Das war auch der Tenor der zweitägigen UN-Konferenz in Wien, die am Freitag, 23. November, zu Ende ging. Organisiert von der UNESCO, gewidmet dem Thema “Sicherheit für JournalistInnen und Kampf gegen Straffreiheit für JournalistInnenverfolgung”.
Weißer Flecken

Sicher nicht gezielt hatte Israel den Debatten in der Wiener UN-City zusätzliche Munition geliefert. Schon in der Nacht zum vergangenen Sonntag hatte die israelische Armee den Al-Schawa-Wa-Hassri-Turm in Gaza-Stadt bombardiert, Sitz zahlreicher lokaler und internationaler Medien. An die 15 Journalisten in mit “TV Press” gekennzeichneten Schutzwesten sollen gerade vom Dach des Gebäudes aus über die Bombardements der Stadt berichtet haben. Die Büros, unter anderem das der ARD, der Nachrichtenagentur Reuters und jenes von Abu Dhabi TV wurden zerstört, sechs Journalisten verletzt. In der selben Nacht erlitten ebenfalls in Gaza-Stadt drei Mitarbeiter von Al-Aksa-TV schwere Verletzungen. Tags darauf zwei Kameraleute von Al-Arabia und einer des lokalen Senders Al-Quds-TV. Gaza soll offenbar ein weißer Flecken in der internationalen Berichterstattung werden. Insgesamt wurden mindestens elf Journalisten während des Konfliktes verletzt.

“Über 100 Journalisten verloren in diesem Jahr bereits gewaltsam ihr Leben. 2012 ist also das für Medien tödlichste Jahr seit langem”, so die Eingangsworte der UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova bei der Wiener Konferenz. 32 starben als BerichterstatterInnen in Syrien, 18 in Somalia.
Willkürliche Verhaftungen, illegale Haft

Die Mehrzahl der genannten 100 Opfer waren jedoch keine KriegsberichterstatterInnen sondern JournalistInnen, die über Missstände in den eigenen Ländern berichteten, sei es über Korruption, Drogenkartelle oder kritikwürdige Maßnahmen offizieller Ämter. Die Themenpalette, die für JournalistInnen lebensgefährlich sein kann, ist breit gefächert. Das Bedrohungsszenario ebenso: nicht nur Morde und physische Attacken, sondern auch Bedrohungen, Schikanen, willkürliche Verhaftungen, illegale Haft. All dies seien Maßnahmen, die JournalistInnen zum Schweigen bringen und damit uns alle, resümiert Peter Launsky-Tieffenthal, UN-Unterstaatssekretär für Kommunikation und Information.

Vielerorts werden Angriffe auf MedienvertreterInnen und JournalistInnenmorde kaum recherchiert, kaum geahndet, die Mörder weder gesucht noch gefunden, die ganzen “leidlichen” Angelegenheiten kurzerhand unter den so genannten Teppich gekehrt. Das soll nun anders werden.

Maßnahmen gegen die Straffreiheit

Ein “UN Plan of Action on the Safety of Journalists and the Issue of Impunity”, ein Aktionsplan zum Schutz von JournalistInnen und Maßnahmen gegen die Straffreiheit von JournalistInnen-Verfolgungen, stand auf dem Programm. Also auch Sensibilisierung und Schulung lokaler Richter und Exekutivbeamter. In einem am Mittwoch, dem Vorabend der UN-Konferenz, in Wien von den teilnehmenden NGOs gemeinsam formulierten Papier fordern diese als ersten Schritt entsprechende Maßnahmen in Nepal, Irak, Pakistan, Südsudan, Mexiko und Honduras.
Langer Atem gefragt

Erste Schritte sind immer schwierig durchzusetzen. Nicht minder schwer wird es sein, die eingeschlagene Richtung konsequent weiter zu gehen. Sicher ist eines, es wird ein mühsamer, ein zeitraubender Weg. Gefragt ist ein langer Atem.

Nicht zufällig mehren sich deshalb auch internationale Tage “gegen” Missstände. Im vergangenen Jahr rief IFEX, die Dachorganisation von 90 NGOs zur Wahrung der Informationsfreiheit, den 23. November als “internationalen Tag gegen Straffreiheit für JournalistInnenverfolgungen” aus. Der 25. November ist übrigens der “Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen”. (Rubina Möhring, derStandard.at)