Reporter ohne Grenzen macht Vorschläge zum Schutz der Privatsphäre im Internet
Wie stellt man eine Balance zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Recht auf Informationsbeschaffung her? Das ist eine Frage, mit der sich Suchmaschinenbetreiber wie Google, Yahoo und Bing seit dem 13. Mai 2014 auseinandersetzen müssen. Damals verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) das sensationelle Urteil im Rechtsstreit Mario Costeja González gegen Google Spain SL.
Im Jahre 1998 veröffentlichte die spanische Zeitung La Vanguardia einen Artikel, in dem die Versteigerung eines Grundstücks auf Grund von Pfändung angekündigt wurde. Der Besitzer des Hauses wurde namentlich erwähnt: Mario Costeja González. Im November 2009 fand Herr González in der Onlineausgabe der Zeitung ebendiesen Artikel. Diese Tatsache störte ihn sehr, da er bereits vor Jahren seine Schulden bezahlt hatte und wieder unbehelligt in seinem Haus lebte. Als er daraufhin seinen Namen in die Suchmaschine von Google eingab, fand er sofort eine Verlinkung zu diesem Artikel.
Auf Grund dessen reichte er im Februar 2010 bei der spanischen Datenschutzbehörde AEPD (Agencia Española de Protección de Datos) eine Klage gegen Google Spain und den Verleger der Zeitung ein. Die AEPD gab der Klage gegen Google Spain am 30. Juli 2010 statt, wies jedoch die gegen den Verleger zurück. Google Spain leitete die Klage an Google Inc. mit Sitz in Kalifornien weiter. Nach erfolglosen Klagen auf spanischem Rechtsweg trugen Herr González und die AEPD ihr Anliegen beim EuGH in Luxemburg vor. Dort entschied man am 13. Juli 2014, dass Google Inc. die Daten von Herrn González aus ihrem Index und den Suchergebnissen entfernen muss.
Ausgehend von diesem Einzelfall erließ der EuGH ein Urteil, was Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet, personenbezogene Daten aus ihren Suchergebnissen zu entfernen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Artikel 7 und 8 der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union über Artikel 11 stehen. Mit anderen Worten: Das Recht auf Privatsphäre und der Schutz persönlicher Daten stehen über dem Recht auf Informationsfreiheit. Der EuGH entschied, Bürgern der europäischen Union müsse ein Recht auf Vergessenwerden zustehen, also ein Recht auf Anonymität im Internet. Für Personen der Öffentlichkeit besteht allerdings eine Ausnahme, bei ihnen muss Transparenz herrschen, um eine klare Meinungsbildung zu gewährleisten.
Vergangene Woche traf in Paris ein Expertenkomitee der Firma Google zusammen, um in einem öffentlichen Meeting über die Umsetzung des EuGH-Urteils zu debattieren. Reporter ohne Grenzen und La Quadrature du Net (ebenfalls eine NGO mit Sitz in Paris) sind der Ansicht, eine profitorientierte Firma, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegt, dürfe in solchen Angelegenheiten nicht maßgeblich mitwirken. Aus diesem Grund haben sie die zuständigen Behörden auf ihre eigenen
Vorschläge diesbezüglich hingewiesen.
Reporter ohne Grenzen (ROG) ist der Meinung, dass Datenschutzbehörden wie die französische CNIL (Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés) weder die Stärke noch die Kompetenz besitzen, um ein Gleichgewicht zwischen Wahrung der Privatsphäre und Informationsbeschaffung herzustellen – das kann nur der Gesetzgeber. Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, sagte dazu: „Das letzte Wort muss in solchen Angelegenheiten immer ein Richter haben. Es kann nicht sein, dass Konzerne auf eigene Faust Gesetzesvorlagen entwickeln.”
Die Datenschutzrichtlinie 95/46 der Europäischen Gemeinschaft (EG) von 1995 soll derzeit reformiert werden, da sie nicht einheitlich für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gilt, sondern in jedem Land neu ausgelegt werden muss. Aus diesem Grund stellte die Europäische Kommission am 25. Januar 2012 im Zuge der Datenschutzreform die sogenannte Datenschutz-Grundverordnung vor. Durch sie soll der Datenschutz für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einheitlich geregelt werden. Künftig gelten alle Vorschriften zum Thema Datenschutz auch für Firmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, sobald sie Daten von EU-Bürgern verwenden und indexieren. Wer mit diesen personenbezogenen Daten Missbrauch treibt, kann mit Sanktionen von bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes belegt werden.
Mit der konkreten
Ausarbeitung der Gesetzesvorlage wurde unter anderem Jan Philipp Albrecht von der deutschen Partei „Bündnis 90/Die Grünen” beauftragt. Am 12. März 2014 wurde mit großer Mehrheit für diese Vorlage gestimmt. Anfang nächsten Jahres wird dann die endgültige Fassung formuliert werden. Drei Jahre werden dann zwischen Verkündung und Umsetzung der Datenschutzreform liegen. Das mag zu lang erscheinen, doch es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.