Blog von Rubina Möhring
Die Justizministerin hebelt das Redaktionsgeheimnis aus
Nun sind wir also auch in Österreich auf dem staatspolitischen Retro-Trip. Adio ruft die Justizministerin elementaren, demokratischen Grundsätzen zu. Mit einem herzlichen Grüßgott gewährt sie autoritär anmutenden Rechtsgepflogenheiten Eintritt. Die Rede ist von der jüngsten Novelle zur Strafprozessordnung. Der zufolge soll es künftig aus sein mit dem Redaktionsgeheimnis und amtlichem Respekt gegenüber beruflicher Verschwiegenheitspflicht. Natürlich nicht direkt, aber sehr gefinkelt indirekt.
Schildbürgerstreich der Frau Karl
Nie werden wir erfahren, was Helmut Qualtingers “Herr Karl” zum jüngsten Schildbürgerstreich der Frau Karl gesagt hätte. Auch wissen wir nicht, ob Österreichs derzeit amtierende Justitia-Hüterin ihren Namensvetter überhaupt kennt. Sie ist eine juristische Akademikerin, er symbolisiert den “Mann des Volkes”. Hans Weigel charakterisierte den “Herrn Karl” als “menschlichen Zustand österreichischer Färbung”. Das Lexikon der Weltliteratur beschreibt ihn als “Figur des miesen Jedermann”.
Den Zustand des Justizministeriums österreichischer Färbung beschreiben die offenbar in ministeriellen Hinterzimmern geschwind verfassten Ergänzungen der jüngsten Novelle zur Strafprozessordnung, die am 28. Februar den Ministerrat passierte. Allerhand ist da demokratiepolitisch passiert. Ob das als großer Wurf gedacht war, sei dahin gestellt. Jedenfalls wurde da sehr kleinkariert – manche meinen sogar mies – an den Grundpfeilern der Demokratie herumgesäbelt und der Rechtsstaat konterkariert. Auf jeden Fall ist das eine böse Falle für JournalistInnen, eine so genannte Lebendfalle.
Bei besagten ministeriellen Ergänzungen der Strafprozessordnung geht es laut Nachrichtenagentur APA “um die Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen und Datenträgern bei Personen, die im Interesse anderer Personen die Daten verschwiegen behandeln. Konkret betroffen sind neben Anwälten, Notaren, Steuerberatern und Ärzten auch Journalisten.” Das Nachrichtenmagazin “News” beschreibt Donnerstag in seiner aktuellen Ausgabe, dass und wie diese Neuregelung schlagend wird, wenn eine Person aus den genannten Berufsgruppen als Beschuldigter geführt wird.
Als Beschuldigter, was soll das heißen? Wie wird man ein solcher? Einfach, wenn jemand jemanden nicht mag – sei es aus persönlichen, politischen, sonst welchen Gründen – oder schlicht, weil der eine über ein größeres Detailwissen verfügt als der andere. Um in dessen Unterlagen herumschnüffeln zu können, wird dann halt Anzeige erstattet? Flugs träte daraufhin die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Locker könnte sie dann auch das Redaktionsgeheimnis aushebeln.
Blaulichtmilieu und Ärmelschonerei im Justizapparat
Bleibt es also bei dieser Novelle der Strafprozessordnung, entschieden nicht unabhängige Richter sondern weisungsgebundene Staatsanwälte darüber, welche Unterlagen für Ermittlungsakten wichtig sind. Auch darüber, was allenfalls geschwärzt würde und was nicht. Manches könnte man ja auch vielleicht später brauchen. All dies unter “Beiziehung geeigneter Hilfskräfte” – das klingt gefährlich nach Blaulichtmilieu und Ärmelschonerei im Justizapparat.
Käme also künftig die Staatsanwaltschaft in kniffeligen Fällen nicht weiter, könnten sie sich auf diesem Weg Zusatzinformationen holen und so den Rechercheweg bei amtlichen Wahrheitsfindungen abkürzen. Rechtsstaat hin oder her – Widerspruch ist ausgeschlossen, staatsanwaltliche Selbstgerechtigkeit nicht. Dass manche Staatsanwälte schon bisher in Sachen Presse- und Informationsfreiheit sowie Redaktionsgeheimnis – aus welchen Gründen auch immer – nicht firm sind, ist bekannt. Der heutigen Justizministerin könnte gelingen, was ihrem einstigen FPÖ-Vorgänger Böhmdorfer verwehrt blieb: Endlich dürften zumindest auf diesem Umweg auch JournalistInnen strafrechtlich belangt werden. Bravo, Frau Karl.
Demokratiepolitische Farce
Eine demokratiepolitische Farce nennt Rupert Wolff, der Präsident des Österreichischen Kammertages, die geplante Strafrechtsnovelle. Er vermutet einen Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Telekom-E-Mails durch “News”. Wolff bellt: “Das ist nicht Ungarn, das ist Aserbaidschan.”
Frage an Radio Eriwan, das weder mit Österreich noch mit Aserbaidschan etwas zu tun hat: An welchem Gewässer liegt Baku, die Hauptstadt von Aserbaidschan? Antwort: Am Donaukanal.