Ermordeter Journalist: Lynchjustiz in der Slowakei

Ermordeter Journalist: Lynchjustiz in der Slowakei

Die Vermutung liegt nahe, dass Ján Kuciak wegen seiner Recherchen in Sachen Korruption und Steuerhinterziehung umgebracht wurde.

Lynchjustiz in der Slowakei: Piff, paff – und ein unbequemer, weil seriös recherchierender Journalist ist aus dem Weg geräumt. Sein Name: Ján Kuciak. Alter: 27 Jahre. Nach Malta ist die Slowakei nun schon der zweite EU-Staat, in dem eine Journalistin, ein Journalist für seine Arbeit mit dem Leben bezahlen musste. Kuciak hatte für das Nachrichtenportal “aktuality.sk” gearbeitet, das im Besitz der Regnier-Axel-Springer-Gruppe ist.

Ján Kuciak und seine Partnerin Martina Kušnírová dürften schon Donnerstagabend oder Freitagfrüh in ihrem gemeinsamen Haus in Veľká Mača, unweit der slowakischen Hauptstadt, erschossen worden sein. Aufgrund eines familiären, besorgten Anrufes fand die Polizei die Leichen des Paares dann in der Nacht auf Montag. Die Vermutung liegt nahe, dass Kuciak wegen seiner Recherchen in Sachen Korruption und Steuerhintergehungen umgebracht wurde. Wenn dem so ist, dann dürfte er brisantes Material zusammengetragen haben.

Immer wieder grüßt die Mafia
Jedem Land seine eigene Mafia, könnte man schon langsam sagen. Auch die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia war nach Aussage ihrer Söhne Opfer der Mafia geworden. Am 16. Oktober des vergangenen Jahres starb sie durch eine Autobombe. Auch sie hatte, wie Kuciak, im Rahmen der sogenannten Panama Papers recherchiert und über diese berichtet. In den Fall Kuciak jedoch könnte, so wird in der Slowakei spekuliert, auch die italienische Mafia involviert sein. Er hatte einen Fall recherchiert, in den offenbar auch ein italienischer Geschäftsmann involviert ist. Es geht um EU-Gelder im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Gebieten. Dieser Unternehmer steht, so heißt es, mit einer Assistentin des jetzigen Premierministers Robert Fico in Verbindung. Diese wiederum war vor ihrem jetzigen Job Assistentin eines Abgeordneten, der nun Sekretär des slowakischen nationalen Sicherheitsrates ist und damit auch an den Geheimsitzungen dieses Gremiums teilnimmt. James Bond hätte seine Freude daran.

Rigide Pressegesetze
Premierminister Robert Fico regiert bekanntlich seit März 2016 zum dritten Mal – diesmal allerdings in einer Koalition mit der nationalistischen und der slowakisch-ungarischen Partei des Landes sowie mit Konservativen von der Partei Sieť. Er selbst war mit seiner Partei Smer – zu deutsch Richtung – in der Wählergunst von 44,4 auf 28,3 Prozentpunkte abgerutscht. Fico gilt als glühender Patriot und überzeugtes Mitglied der Visegrád-Gruppe. Medienpolitisch tat er sich bisher insbesondere durch ein rigides Pressegesetz hervor, demzufolge unter anderem das slowakische Kulturministerium Geldstrafen verhängen darf, falls Zeitungen “gesellschaftlich schädliches Verhalten” befürworten – was immer als solches ausgelegt wird.

Rechtsstaat in Gefahr
Es weht also – unabhängig von der momentanen meteorologischen Wetterlage – ein ziemlich rauer Wind im Nachbarland Slowakei. Angesichts des brutalen Mordes an Ján Kuciak und Martina Kušnírová steht nun auch dort die Akzeptanz der Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel. Schon seit den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, also nach dem Fall des Eisernen Vorhanges, kam es wiederholt zu Korruptionsfällen. Nun lässt auch hier die Mafia grüßen. – Unweit von Bratislava liegt übrigens auch Wien.