Der größte Feind ist das Gedächtnis

Der größte Feind ist das Gedächtnis

Im Iran geht es wieder rund: Präsident Ahmadinejads Medienberater wurde verhaftet und eine Künstlerin besteht darauf, dass der Mord an ihren Eltern aufgeklärt wird

Blog von Rubina Möhring

Es geht wieder einmal rund im Iran. Im Machtkampf vor den Parlamentswahlen im kommenden März liegen schon jetzt die Nerven blank. Klar, da geht auch der letzte Rest an Menschenrechtsbewusstsein vor die Hunde. Die UN kritisiert die dramatische Zunahme an Todesstrafen, vor allem auch bei Minderjährigen. Folter, Auspeitschungen und Amputationen stehen auf der Tagesordnung. Auch das Schicksal der aufgeflogenen CIA-Agenten dürfte besiegelt sein. Pressefreiheit ist längst aus dem Vokabular gestrichen. Nun hat es selbst Präsident Ahmadinejads Medienberater erwischt. Hauptberuflich ist Ali-Akbar Javanfekr Chef der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA.

Javanfekr leitet am Montag gerade eine Pressekonferenz, als sich Sicherheitsbeamte mit Tränengas den Weg in das Medienhaus bahnen. In Handschellen wird er gegen den Protest der Redaktionen abgeführt. An die 30 Mitarbeiter werden gleich mitverhaftet, einer mit einem elektrischen Schlagstock malträtiert.


Was hat sich dieser doch mächtige Mann zuschulden kommen lassen? Am Wochenende hatte ihn ein Teheraner Gericht wegen Fotos und Berichten, die “nicht im Einklang mit den islamischen Normen” stehen, zu einem Jahr Gefängnis und drei Jahren Berufsverbot verurteilt. Die einen meinen, eine Artikelserie über den Tschador sei der Anlass gewesen. Andere sagen, sein Samstagsinterview mit der reformistischen Zeitung Etemaad, seine Kritik an regierungsinternen Machtkämpfen sei zu scharf gewesen. Etemaad – zu deutsch “das Vertrauen” – jedenfalls darf nun zwei Monate lang nicht erscheinen. So schnell kann das gehen in Teheran.

Dort hält sich seit vergangener Woche auch wieder die in Deutschland lebende Künstlerin Parastou Forouhar auf. Der Montag, der 21. November, ist der Todestag ihrer Eltern. 1998 waren Darius und Parwaneh in ihrem Haus in Teheran brutal niedergestochen worden. Seitdem hält Parastou Jahr für Jahr in ihrem Elternhaus Gedenkfeiern ab. Als Mahnung und Erinnerung daran, dass die Hintergründe des Mordes noch immer nicht aufgeklärt sind.

Darius Parastou, ein Rechtsanwalt, war ein führender iranischer Oppositioneller. Zunächst während des Schah-Regimes, später unter den Fundamentalisten. Das Credo der Forouhars: Trennung von Religion und Staat, Demokratie, Abschaffung der Todesstrafe. Parwaneh, sie war Lehrerin, erhält Berufsverbot, Darius wird regelmäßig verhaftet. Im Zuge so genannter Kettenmorde werden beide schließlich von Mitarbeitern des Geheimdienstes erstochen. Am folgenden Tag protestierten deshalb erstmals wieder an die 20.000 Menschen in Teheran.

Der größte Feind sind das Gedächtnis und die Erinnerung. Am Samstag wurde Parastou von der Geheimpolizei vernommen und verwarnt: Jegliche Gedenkfeierlichkeiten seien verboten. Auch Freunde der Familie wurden telefonisch informiert, Besuche im Haus der Fohouars und Versuche, ihrer zu gedenken, könnten Konsequenzen haben.

Sicher wurden – wie jedes Jahr – Straßen und Wege rund um das Haus gesperrt. Parastou ist sich jedoch ebenso sicher, dass Erinnerung und Gedenken nicht körperlich sind und deshalb auch nicht festgenommen werden können. Sie hat sich inzwischen nicht wieder gemeldet.

Ali-Akbar Javanfekr soll übrigens, wie es heißt, dank höchster Intervention, ziemlich schnell das Gefängnis wieder verlassen haben.