Reporter ohne Grenzen kritisiert die Zensurversuche der chinesischen Behörden nach den Überschwemmungen Mitte Juli. Bei dem Unwetter waren landesweit mehr als 95 Menschen ums Leben gekommen. Nach heftiger Kritik am Krisenmanagement der Behörden in Peking ließen diese kritische Kommentare aus Online-Medien und Blogs entfernen und forderten Journalisten auf, nur noch gute Nachrichten zu verbreiten.
Unmittelbar nach der Katastrophe hatten Betroffene im Internet Hilfe und Spenden organisiert. Vor allem über den chinesischen Microblog-Dienst Sina Weibo, das chinesische Pendant zu Twitter, hatten sie in kürzester Zeit ein Solidaritätsnetzwerk aufgebaut und so versucht, die Untätigkeit der Behörden zu kompensieren. Mehrere chinesische Zeitungen hatten das marode Abwassersystem der Stadt kritisiert, etliche Leser machten ihrem Ärger im Internet Luft.
Der Pekinger Propaganda-Chef Lu Wei betonte daraufhin die Notwendigkeit, die öffentliche Meinung „stabil” zu halten und wies Journalisten an, nur noch über Errungenschaften zu berichten, die „Lob und Tränen” wert seien, etwa über Heldentaten der Rettungskräfte. Das meldete die Zeitung Jinghua Shibao am Dienstag.
Kritische Kommentare auf Microblog-Diensten wie Sina Weibo verschwanden oder wurden gelöscht. Nutzer, die Inhalte nicht selbst entfernten, erhielten keinen Zugang mehr zu den entsprechenden Seiten.
Nicht mehr abrufbar ist unter anderem ein Bericht des Bloggers Li Chengpeng, in dem er die Frage stellte, warum bei den zögerlich eingeleiteten Rettungsaktionen nur zivile Autos gesichtet wurden, obwohl die Pekinger Behörden im vergangenen Jahr 6 Milliarden Yuan (ca. 766 Millionen Euro) für Dienstfahrzeuge ausgegeben hätten. Die englische Übersetzung seines Beitrags findet sich hier.
Reporter ohne Grenzen zählt den chinesischen Staat zu den größten Feinden des Internets weltweit. Auf der jährlichen ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht China unter den repressivsten Staaten auf Platz 174 von 179.