Causa Snowden: Ein übles Spiel

Causa Snowden: Ein übles Spiel

Blog von Rubina Möhring

Russland verweigert dem Informationsträger Asyl – Obamas Image ist ramponiert

Nun also doch kein Asyl in Russland für den amerikanischen IT-Spezialisten und Informationsträger Edward Snowden. Die US-Regierung droht mit politischem Zuckaus. Russlands Ministerpräsident Wladmir Putin zuckt daraufhin zurück. Auf der Strecke bleibt hier wie dort das Bürgerrecht auf Informationsfreiheit. Alles in allem ein übles Spiel.

Putins Standpunkt: Sollen sich doch die UN und das Rote Kreuz um jenen Flüchtling kümmern, der nicht nur zu viel weiß, sondern auch viel zu viel von seinem Wissen über die Verletzung internationaler Bürgerrechte durch den amerikanischen Geheimdienst der internationalen Öffentlichkeit mitteilte. Im Fall Snowden sind realpolitischem Zynismus keine Grenzen gesetzt.


Geschickt hat Putin den Fall Snowden abgewiegelt: Mag die UN entscheiden, nachdem die USA offenbar kein vertrauenswürdiger Garant mehr sind für die Wahrung von Menschenrechten. Bisher bewährte Werte laufen aus dem Ruder.

We shall overcome

“Mister President, First Lady, your family, you are so much loved”, mit diesen Worten eröffnete Joan Baez Anfang Februar 2010 ihr Ständchen im Weißen Haus für den damals frisch gebackenen Friedensnobelpreisträger Barack Obama. “We shall overcome – we are not afraid today”,  inbrünstig singt Baez das wohlbekannte Protestlied der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Obama wippt als Zuhörer mit, singt mit. Seine Wertewelt ist damals auch bürgerrechtlich total in Ordnung, mehr noch, sie ist auch international gepriesen. Inzwischen ist auch die Pazifistin Baez von ihm enttäuscht.


Verräter oder Wahrheits-Freak?

Knapp drei Jahre nach diesem Ereignis ist die Marke Menschenrechte in den USA ruiniert, das Image des Friedensnobelpreisträgers ramponiert. Bei der Preisverleihung in Oslo sprach Obama noch von den Bürgerrechten, ohne die ein Frieden kein richtiger Frieden sei. Aufgabe aller freien Menschen sei es, den Unfreien und Bedrückten zu versichern: “Hope and history are on your side”. Selbst wenn die Menschheit mit sich selbst oft im Streit liege, es gebe “the law of love”, das Gesetz der Liebe. Gilt dies auch im aktuellen Fall Snowden? Die Fakten sprechen dagegen. In den USA gilt Snowden als Vaterlandsverräter. Einen solchen erwartet gegebenenfalls die Todesstrafe. Snowden ist 30 Jahre alt. Ist er tatsächlich ein schnöder Verräter oder ganz einfach nur ein Wahrheits-Freak?

Dank Snowden wissen wir jedenfalls endgültig Bescheid über die Gläsernheit unserer Privatsphäre. Das in den USA entwickelte digitale Spitzel-System Prism macht’s möglich. Aus Sicht führender EU-PolitikerInnen ist verstärkter Datenschutz angesagt.

Vernetzte Geheimdienste

Dank Snowden wissen wir nun auch von den Machinationen europäischer Geheimdienste und deren, wenn’s Vorteile bringt, zum Teil symbiotischen Vernetzungen. Jeder Geheimdienst verletzt, längst geahnt doch nun erstmals weltweit aktenkundig, bürgerliche Menschenrechte im Dienste so genannter Bürgersicherheit und im Namen internatonaler Terrorphobie. Deutschland tut dies, auch Österreich, ebenso Großbritannien und Frankreich, das am Sonntag stolz mit Pomp und Trara den 14. Juli als Tag der Republik, also der den Menschenrechten verpflichteten Demokratie feierte.

Informationsfreiheit als Privileg

Dank Snowden wissen wir zugleich, dass das Menschenrecht auf Informationfreiheit inzwischen kein bitter erkämpftes Bürgerrecht mehr ist, sondern ein Privileg der Geheimdienste. So schnell geht das. Und wir haben auch gelernt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika als gelobtes Land der Demokratie ausgedient haben. Schade.

Was immer Snowdens Beweggründe gewesen sein mögen: Dank ihm wissen wir über uns mehr, als uns womöglich lieb ist. Er hat uns die Augen geöffnet – das tut weh ist aber gut so. Ob “we shall  overcome” künftig auch für den US-Geheimdienst Gültigkeit haben wird, wird sich weisen. Laut der britischen Tageszeitung “Guardian” verfügt Snowden möglicherweise über weitaus mehr Informationen, die der US-Nachrichtendienst gegenüber seinen professionellen Konkurrenten und deren Regierungen lieber geheim hielte. Ist nun Geheimdienstliche Schmutzwäsche angesagt?

Investigativer Journalist ermordet

In der russischen Teilrepublik Dagestan wurde übrigens vergangene Woche der Journalist Akhmednabi Akhmednabiev ermordet. Der Redakteur der Wochenzeitung “Novoe Delo” war von, wie es heißt,  unbekannten Tätern  ihn seinem Heimatdorf Semender einfach niedergeschossen worden.  Für die Ermittler deutet alles auf ein Motiv im Zusammenhang mit seinen professionellen Recherchen hin, berichtet “Reporter ohne Grenzen”.

Der 55-jährige Akhemednabiev war kein gefährlich sprechbereiter Geheimnisträger, er war “nur” ein investigativer Journalist, der mit seinen peniblen Recherchen inkorrekten Geheimnissen auf die Spur gekommen war. In seinem letzten Artikel hatte er Anfang Juli den Gouverneur der Region scharf kritisiert. Akhemednabievs Beitrag in Sachen Transparenz war nicht minder wichtig als der Snowdens. (Rubina Möhring, derStandard.at, 15.7.2013)