FPÖ-Nationalrat Hans-Jörg Jenewein nimmt kein Blatt mehr vor den Mund in Sachen neues ORF-Gesetz.
Von Rubina Möhring
Schlagzeilen wollen provoziert werden. Nicht nur der ÖVP-Parlamentsschwänzer Sebastian Kurz weiß das. Auch der FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein, zuständig für die FPÖ-Medienpolitik, ist professionell à jour. Beide Herren sind sich offenbar in ihren Strategien ebenbürtig.
ÖVP-Altkanzler Kurz tingelt nun auf Kosten seiner Partei durch Österreich, um endlich hiesige Menschen kennenzulernen. Sehr lieb. Die Weltrundreisen auf Staats- und Steuerkosten hat er ja schon hinter sich gebracht. Sehr teuer.
FPÖ-Nationalrat H.-J. Jenewein hingegen nimmt nun plötzlich in einer Salzburger Tageszeitung kein Blatt mehr vor den Mund in Sachen neues ORF-Gesetz. Offenbar war doch schon sehr viel mehr zwischen den bisherigen Koalitionspartnern ÖVP/FPÖ paktiert, als dies der Altkanzler bisher wissen ließ. Sehr interessant.
Kurz gesagt, stand laut Jenewein fest: Abschaffung der GIS-Gebühren, Neubesetzung der Generaldirektion und FPÖ-Teilhabe an personellen und inhaltlichen Weichenstellungen im ORF. Auf die Frage nach zwei gleichberechtigten Führungspersonen in der ORF-Generaldirektion meint Jenewein im O-Ton: “Wenn die ÖVP an einer Schraube dreht, drehen sich 250 andere mit. Bei mir gäbe es dann zwei Schrauben, die ich unter Kontrolle habe.” Die Aussichten auf solcherart seltsame Windungen innerhalb einer neuen ORF-Gesetzgebung sind vorerst ad acta gelegt. Für den ORF selbst ist zumindest eine sommerliche Verschnaufpause angesagt.
Foltermethode Daumenschrauben
Laut Wikipedia ist übrigens das Anziehen von “Daumenschrauben” eine seit Jahrhunderten bekannte Foltermethode. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert diente der “Daumenstock” der Wahrheitsfindung im Rahmen der spätmittelalterlichen Rechtsprechung. Noch bis in die frühe Neuzeit diente sie als probates Mittel bei einer “eindringlichen” Befragung, um Geständnisse zu erwirken. So auch bei Hexenjagden. Als Österreich 1768 unter Kaiserin Maria Theresia erstmals ein allgemeines Strafgesetzbuch erhielt, wurde in diesem der Daumenstock noch als legale Verhörmethode angeführt. Eine ziemlich widerliche Methode, weshalb auch “medizinkundige” Mitarbeiter eingesetzt werden sollten. Sehr umsichtig. Heutzutage werden nur noch sinnbildlich Daumenschrauben angezogen als Synonym für Zwangsmaßnahmen.
Sicherlich war dies nicht mit dem zitierte Zwei-Schrauben-System in einem von einer ÖVP-FPÖ-Regierung dominierten ORF gemeint ist. Mag sein, dass es sich hierbei nur um ganz gewöhnlichen Postenschacher handelt. Jedenfalls sehr pikant, das Ganze.
Warten wir ab, was nach den Neuwahlen Ende September passiert. Vielleicht kommt ja auch noch vor den Parlamentsferien ein Antrag, die Verstaatlichung des ORF grundsätzlich zu verbieten, zum Tragen. Und wie wäre es zur Abwechslung einmal damit, den Stiftungsrat mit Menschen aus der Zivilgesellschaft zu besetzen? Ein erfrischender Gedanke. Die Initiative “Wir für den ORF” jedenfalls tritt hierfür ein. Breitgefächert und sehr wirkungsvoll.
Dieser Kommentar erschien am 14.06.2019 in Rubina Möhrings Blog “Pressefreiheits-Watchdog” im Standard.