Bitterer Alltag jenseits der NSA – Französische Journalisten in Mali ermordet

Bitterer Alltag jenseits der NSA – Französische Journalisten in Mali ermordet

Blog von Rubina Möhring

Der Antiterrorismus-Wahn hat längst sämtliche Schamgrenzen überschritten. Fürst Metternich hätte seine Freude daran

Bitterer journalistischer Alltag jenseits der NSA-Affäre: Samstagabend kam die Hiobsbotschaft, offiziell bestätigt durch das französische Außenministerium: Die Reporterin Ghislaine Dupont und ihr Kollege Claude Verlon, beide Redaktionsmitglieder des öffentlich-rechtlichen Senders Radio France International, sind in Mali gewaltsam entführt und ermordet worden. Beider Leichen wurden bereits identifiziert. Beide waren anerkannte, hochprofessionelle Afrika-Experten. Beider Schicksale war ihr Beruf, ihre Berufung.


 Ghislaine Dupont und Claude Verlon waren für eine Reportage über die Nationalbank in der Stadt Kidal innerhalb der Region der um Unabhängigkeit kämpfenden Tuaregs unterwegs gewesen. Sie wurden womöglich Opfer ihrer eigenen Informanten und einer speziellen PR-Strategie: zwei französische Journalisten  müssen über die Klinge springen, so kommt die EU in Zugzwang, sich unserer Probleme anzunehmen. Kein feines Spiel.

Politisches Gerangel um Snowden

Nicht minder mies ist das derzeitige politische Gerangel um Ed Snowden und dessen mögliche Gespräche mit deutschen Politikern. Manche wollen ihn als Zeugen anhören im Zusammenhang mit dem NSA-Abhörskandal rund um das Mobiltelefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Politiker wollen Snowden in Moskau besuchen, Putin hat nichts dagegen: “Klar kommt doch.” Snowden jedoch möchte verständlicherweise nach Berlin. Um auszusagen, nicht jedoch um an die USA ausgeliefert zu werden. Irgendwer steht da auf der Leitung.

Ja, Mutti Merkels Mobiltelefon wurde von der NSA abgehört. Schlimme Sache, soll aber nicht wieder passieren. Flugs wird an einem bilateralen No Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA gebastelt. Kühl lächelnd an der EU vorbei. Im Zweifelsfall steht man sich selbst am nächsten und die Gemeinschaft im Hintergrund der Interessen. Auch das ist nicht vom Feinsten.

Lautlos

Und sonst? Sonst bleibt wohl alles wie es war. Wir alle werden wahrscheinlich sorgsam weiter überwacht, unsere Handys, unsere Emails, warum nicht auch unsere Festplatten. Macht doch nichts, wenn man nichts zu verbergen hat. Natürlich bleibt Privates privat und wird nicht ausgeplaudert, allenfalls aus Versehen, denn auch Geheimdienstler sind schließlich nur Menschen.

Früher knackte es im Festnetzanschluss, wenn sich amtliche Mithörer zuschalteten – “willkommen bei meinen Gesprächen”. Heute geht das lautlos.  Keine Rede ist auch mehr von Menschenrechten. Der Antiterrorismus-Wahn hat längst sämtliche Schamgrenzen überschritten. Fürst Metternich hätte seine Freude daran. (Rubina Möhring, derStandard.at, 3.11.2013)