Bericht zur Lage der Pressefreiheit in Griechenland: ROG beklagt Übergriffe auf Journalisten bei Demonstrationen

Bericht zur Lage der Pressefreiheit in Griechenland: ROG beklagt Übergriffe auf Journalisten bei Demonstrationen

In einem neuen Bericht zur Situation der Medien in Griechenland kritisiert Reporter ohne Grenzen (ROG) die Gewalt gegen Journalisten bei den seit Monaten währenden Demonstrationen und Ausschreitungen. Vor allem Fotografen und Kameraleute gerieten bei ihrem Einsatz in “bürgerkriegsähnliche” Situationen, heißt es in dem 20-seitigen, am 14. September veröffentlichten Bericht. ROG dokumentiert Übergriffe auf Medienmitarbeiter sowohl durch Polizisten als auch durch gewaltbereite und radikale Demonstranten: Die Reporter werden verprügelt, mit Tränengasgranaten beschossen, beschimpft, festgenommen und mit bürokratischen Maßnahmen schikaniert, in einigen Fällen werden ihre Kameras, Bilder und Filme zerstört oder beschlagnahmt.

Für die Polizei sind die Medienvertreter offenbar unerwünschte Zeugen eines harschen und unverhältnismäßigen Vorgehens gegen Protestteilnehmer und Aufrührer. Einige Demonstranten wiederum behandeln Journalisten als Sündenböcke: Medienmitarbeiter werden pauschal beschuldigt, die Sparmaßnahmen der Regierung zu unterstützen, oder sie stehen stellvertretend für Medien, deren Berichterstattung bei Protestierenden auf Kritik stößt.


Der Fotograf Manolis Kypraios trug nach einem polizeilichen Übergriff mit einer Betäubungsgranate eine dauerhafte Behinderung davon und ist seitdem arbeitsunfähig. Übergriffe wie diese wurden bisher nie offiziell verurteilt, die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen. In den Schlussempfehlungen der Studie fordert ROG deswegen eine sorgfältige Prüfung entsprechender Anzeigen von Medienmitarbeitern und die Einleitung von Ermittlungen gegen verantwortliche Sicherheitskräfte oder andere Personen.

Mit Sorge beobachtet ROG zudem vermehrte Diffamierungskampagnen gegen Journalisten. In Athen wurden anonyme Flyer verteilt, in denen Journalisten, abgedruckt mit Namen und Fotos, beschimpft wurden. In einigen Stadtvierteln finden sich ebenfalls Graffiti mit verbalen Anfeindungen gegen Reporter. ROG fordert ernsthafte Ermittlungen, um die Urheber solcher Denunziationskampagnen zu ermitteln.

ROG äußert in dem Bericht darüber hinaus große Besorgnis über die ökonomische Stabilität des griechischen Mediensektors. Zahlreiche Medienunternehmen stehen nach Meinung von Experten auf keiner sicheren finanziellen Basis und sind teilweise kreditfinanziert. Der derzeit wenig profitable Medienmarkt wird in nächster Zeit ganz sicher schrumpfen. Die Entwicklung würde die heute schon prekäre Arbeitssituation vieler freier Journalisten weiter verschärfen.

Auf der anderen Seite sind viele Medien offenbar in erster Linie gegründet worden, um den Einfluss von deren Eigentümern – große Reedereien oder andere Unternehmen – zu vergrößern. ROG vermisst bei einer Reihe von Medien eine ausreichende Distanz zu politischen Entscheidungsträgern, Parteien und Wirtschaftsunternehmen. Das öffentliche Bedürfnis nach unabhängigen und ausgewogenen Informationen erfüllen sie nicht ausreichend. Journalisten berichteten gegenüber ROG ferner über Korruption und Vetternwirtschaft im Mediensektor.

Lesen Sie hier den ausführlichen 22-seitigen ROG-Bericht „Greece. Is the crisis in Greece a chance for its media?”