Appell: Keine Zustimmung für das Gesetz zur Einstellung der „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung und zur demokratiepolitisch fragwürdigen Medienausbildung

<strong>Appell: Keine Zustimmung für das Gesetz zur Einstellung der „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung und zur demokratiepolitisch fragwürdigen Medienausbildung</strong>

Appell: Keine Zustimmung für das Gesetz zur Einstellung der „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung und zur demokratiepolitisch fragwürdigen Medienausbildung

Die „Wiener Zeitung“ (WZ) ist in mehrfacher Hinsicht ein österreichisches Kulturgut:
Gegründet 1703, ist sie die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. 1857 wurde sie
verstaatlicht – eine Konstruktion, welche die Monarchie überdauert hat. Doch die
Bundesregierung plant, die „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung sowie ihre tagesaktuelle
Online-Berichterstattung 2023 einzustellen. Gleichzeitig erhalten Boulevardmedien
weiterhin Millionen an Steuergeld durch die staatliche Medienförderung und über Inserate
von Regierung und öffentlichen Unternehmen.
Demnächst wird im Nationalrat über das Gesetz abgestimmt werden. Nach dem
Gesetzesentwurf wird das Nachfolgeprodukt der WZ auf 7,5 Millionen Euro pro Jahr aus dem
Bundesbudget heruntergefahren. Der neue „Media Hub“, der Schulungen für
JournalistInnen, PressesprecherInnen und pr-Leute anbieten soll, soll ein Jahresbudget von
sechs Millionen Euro erhalten. Bestehende und zertifizierte Aus- und Weiterbildungsstätten
werden dadurch an den Rand gedrängt.
Der „Media Hub“ ist überdies eine gefährliche Konstruktion. Das Bundeskanzleramt als
Eigentümervertreter könnte über den Geschäftsführer direkten Einfluss auf die Lehrinhalte
ausüben. Das wäre ein in Demokratien höchst fragwürdiges Modell.
Sämtliche Experten lehnen daher den vorliegenden Gesetzesentwurf ab. Viele Kultur- und
Medienschaffende, Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben sich in einer Resolution für ein
Moratorium von 18 Monaten eingesetzt. In dieser Zeit soll ein tragfähiges Konzept zur
Weiterführung der „Wiener Zeitung“ als Qualitätstageszeitung ausgearbeitet werden.
Wir möchten Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter, daher
dringend ersuchen, dem neuen Gesetz bei der Abstimmung im Nationalrat nicht
zuzustimmen und sich für eine Neufassung in Kooperation mit der Redaktion der Wiener
Zeitung und ExpertInnen einzusetzen.

Wien, 25. Jänner 2023

Ao. Univ. Prof. Dr. Fritz Hausjell
Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der
Universität Wien
Präsident von „Reporter ohne Grenzen“, österr. Sektion

Otmar Lahodynsky
Journalist und Ehrenpräsident der „Association of European Journalists“ (AEJ)
Edward Steen, Generalsekretär AEJ