“Akademikerball”: Demokratiepolitischer Scherbenhaufen

“Akademikerball”: Demokratiepolitischer Scherbenhaufen

Blog von Rubina Möhring

2.000 Polizisten waren am Freitag in Wien im Einsatz. Manches an diesem Abend wirkte gespenstisch, nahezu grotesk.

Wie es scheint, probte der Sicherheitsapparat für einen imaginären staatlichen Notstand

War gestern Abend ein Staatsstreich angesagt? Nein. Angesagt waren lediglich Protestdemonstrationen, weil auch in diesem Jahr der FPÖ-nahe “Akademikerball” in der Hofburg walzte. Ein Minievent, der von den Sicherheitsbehörden schon im Vorfeld zur Mammutkrise aufgeschaukelt worden war. Journalisten wurden a priori als mögliche “Feinde” eingestuft. 2.000 Polizisten – wohl bemerkt aus allen Bundesländern – mussten frühmorgens die Fahrt antreten, um in Wien abends den Demonstranten gegenüberzustehen. Das Regierungsviertel war hermetisch abgeriegelt. Wie es scheint, probte der Sicherheitsapparat für einen imaginären staatlichen Notstand. Sehr viel Steuergeld wurde da verjuxt. Zurück bleibt ein demokratiepolitischer Scherbenhaufen.

Kein Durchlass

In dieser ansonsten kuscheligen Republik Österreich wirkte manches an diesem Abend gespenstisch, nahezu grotesk. Polizeibeamte verwehrten am Schottentor die Weiterfahrt in eine Burgtheater-nahe Straße. Begründung: Die sei von Demonstranten besetzt. Ging man zu Fuß, sah man, die Straße war mit Polizeieinsatzwagen zugeparkt. Bat man mit Journalistenausweis am Heldentor in der für Journalisten vorgesehenen “Zeitzone” um Einlass zum Heldenplatz, war dies nicht möglich. Begründung: mangelndes Begleitpersonal.


Zeitgleich drehen gepanzerte Polizeiwagen ab, die an die Tränengasmobile in Istanbul während der Gezipark-Proteste erinnern. Eine Polizistin “in action” brüllt: “Aufrücken”. Am Ring flanieren Schaulustige. Die Barrieren sind mehr oder weniger behindertengerecht, es ist ein leichtes, darüber zu steigen.
Hort der Demokratie

Kurz darauf bildet die Einheit eine Phalanx vor dem Palais Eppstein, dem Bürotrakt des Parlamentes. Helm an Helm, Schild an Schild. Ein Polizist gibt sich sogar “vermummt” mit einer schwarzen, baumwollenen Teilgesichtsmaske. War das vielleicht der, der am Abend zuvor nach Dienstschluss und in ziviler Kleidung in der Bim unüberhörbar einem Kollegen gegenüber meinte: “Wenn Ihr prügeln derft und i ned, dann bin ich sauer. So einmal in’s Gesicht stanzen wär’ schon geil. Wenn wir Ladendiebe so behandeln würden, wie die Ballgäste, dann kunt ma uns oschaun.” Neben dem Eppstein fahren Blaulichtwagen die Parlamentsrampe hinauf. Der Hort der Demokratie ist geschützt. Wollte irgendjemand diesen stürmen?

Die Demonstration zerbröselt, die Ringstraße ist nahezu menschenleer. Gegen die Fahrtrichtung brausen statusbewusst Polizeieinsatzfahrzeuge mit blinkendem Blaulicht. Vorbei am Eislaufplatz vor dem Wiener Rathaus. Zu den Klängen der “Ersten Allgemeinen Verunsicherung” drehen dort harmlose Eisläufer ihre Runden.
Probebühne für nationalen Notstand

Was bleibt, ist ein mehr als ein bitterer Geschmack. 14 Festnahmen, 20 Verletzte, ein von der Polizei verprügelter STANDARD-Fotograf, kaputte Schaufenster in der Innenstadt. Da wurde, so wirkt es jedenfalls, der Schutz einer FPÖ-nahen Veranstaltung mit allem Pomp und Trara zur Probebühne für einen nationalen Notstand umfunktioniert. Alle Regeln der Presse- und Informationsfreiheit wurden ignoriert.

In welcher Welt leben wir hier? In der einer zunehmenden, demokratiepolitischen Verunsicherung? (Rubina Möhring, derStandard.at, 25.1.2014)