Afghanistan: Gericht bestätigt Urteil gegen Sayed Perwisch Kambachsch / ROG fordert Begnadigung des Journalisten

Afghanistan: Gericht bestätigt Urteil gegen Sayed Perwisch Kambachsch / ROG fordert Begnadigung des Journalisten

Reporter ohne Grenzen (ROG) ist entsetzt, dass der Oberste Gerichtshof
Afghanistans die Verurteilung des Journalisten Sayed Perwisch Kambachschs zu
20 Jahren Haft wegen Blasphemie bestätigt hat. Das Kabuler Gericht fällte
die Entscheidung offenbar vor einem Monat, ohne den Verteidiger des
Angeklagten anzuhören.

Ein Gericht in Masar-i Scharif hatte Kambachsch am 22. Januar 2008 zunächst
zum Tode verurteilt. Am 21. Oktober 2008 wandelte ein Berufungsgericht in
Kabul das Todesurteil in eine 20-jährige Gefängnisstrafe um. Kambachsch
arbeitete neben seinem Journalistik-Studium als Reporter für die
Tageszeitung Jahan-e-Naw (“The New World”). Er war am 27. Oktober 2007
festgenommen worden, weil er angeblich blasphemische und den Islam
verleumdende Äußerungen verbreitet hatte.

Nach Informationen von ROG hat Kambachsch jedoch lediglich einen Artikel
über die Rolle der Frau im Koran aus dem Internet heruntergeladen – in
Übereinstimmung mit dem Recht auf Meinungsfreiheit, das in der afghanischen
Verfassung festgeschrieben ist.


“Zu keinem Zeitpunkt in diesem Verfahren konnte das afghanische Rechtssystem
einen rechtmäßigen Prozess garantieren”, kritisiert ROG. “Nach dem Verfahren
in erster Instanz hinter verschlossenen Türen in Abwesenheit des Anwalts und
nach Unregelmäßigkeiten während des Berufungsverfahrens hat der Oberste
Gerichtshof nun ein sehr hartes Strafurteil aufrechterhalten – ohne nochmals
den Anwalt des Angeklagten anzuhören. Dieses Urteil kommt um so
überraschender, als dass keiner der von der Anklage zitierten Zeugen
bestätigte, dass sie den angeblich blasphemischen Artikel aus den Händen von
Kambachsch erhalten haben”, so ROG.

Ein Kommilitone von Kambachsch, der diese Aussage während des Verfahrens in
erster Instanz machte, habe seine Behauptung mittlerweile widerrufen. “Er
sagte, dass er die Zeugenaussage unter Druck abgegeben hätte”, so ROG.

ROG befürchtet nun, dass Kambachsch ins Pul-e Charkhi-Gefängnis in Kabul
oder ins Gefängnis von Masar-i Scharif im Norden Afghanistans gebracht wird.
In diesen Haftanstalten müsse der Journalist um sein Leben fürchten, da
unter den Insassen viele Taliban seien.

ROG appelliert an Präsident Hamid Karzai, von seinem Begnadigungsrecht
Gebrauch zu machen und Kambachsch unverzüglich frei zu lassen.

Kambachschs Anwalt, Mohammed Afsal Nuristani, erfuhr von dem Richterspruch,
als er gerade dabei war, seinen Verteidigungsbrief einzureichen: “Ich war
auf dem Weg zum Obersten Gerichtshof, um das Dokument vorzulegen. Vor Ort
wurde ich darüber informiert, dass der Gerichtshof bereits vor einem Monat
entschieden hätte, das Urteil von 20 Jahren Haft aufrechtzuerhalten, und
dass der Fall bereits wieder zurück an den Staatsanwalt verwiesen worden
sei. Wie können sie so eine Entscheidung treffen, ohne abzuwarten, was die
Verteidigung zu sagen hat?”, erklärte der Anwalt gegenüber ROG. Nuristani
will sich dafür einsetzen, dass das Verfahren neu aufgerollt wird.

Der Bruder von Kambachsch, Sajed Jakub Ibrahimi, selbst Journalist, erklärte
gegenüber ROG: “Wir haben gedacht, dass bei der höchsten juristischen
Instanz mehr Gerechtigkeit herrschen würde. Aber diese in Stille gefasste
Entscheidung lässt befürchten, dass es im ganzen Land keine Gerechtigkeit
gibt.”

Als ROG-Vertreter Kambachsch im provisorischen Gefangenenlager von Kabul im
Januar besuchten, beharrte der Journalist auf seiner Unschuld: “Ich habe von
Anfang an erklärt, dass ich unschuldig bin. Nach dem Gesetz und der
Verfassung habe ich keine Straftat begangen. Keines der beiden Gerichte
bewies meine Schuld. Ich wurde nur auf Druck von bestimmten Personen hin
verurteilt, nicht aufgrund der Gesetze.”

Helfen Sie Sayed Perwiz Kambachsch und unterschreiben Sie die ROG-Petition
für seine Freilassung an den afghanischen Präsidenten