Patenschaften

Patenschaften

Im Jahr 2006 wurden mindestens 871 Journalistinnen und Journalisten weltweit verhaftet.

Doch welches Verbrechen haben Sie begangen? Sie haben unangenehme Tatsachen enthüllt, zu größerem Respekt für die individuellen Freiheiten aufgerufen oder sich geweigert, sich der Zensur oder einer bestimmten Denkweise zu beugen. Kurz: Sie haben versucht, ihre Arbeit zu tun.

Reporter ohne Grenzen hat eine Reihe von Initiativen gestartet, um ihre Freilassung zu fordern: Medienkampagnen ins Leben gerufen, bei den verantwortlichen Behörden interveniert, Fälle vor die internationalen Menschenrechtsinstitutionen gebracht, Anwälte zur Vertretung der Journalisten vor Gericht organisiert, Kautionen aufgebracht usw.

Doch diese tägliche Arbeit reicht nicht aus, um die oft abstoßenden Haftbedingungen zu verbessern. Den inhaftierten Journalisten wird der Kontakt zu ihrer Familie und oft auch ausreichende Nahrung verweigert, die Sanitäranlagen sind unzureichend oder gar nicht vorhanden. Häufig sind sie von ihren Mithäftlingen isoliert und müssen die Haft in einer furchtbaren Einsamkeit erleben.  Hier ist moralische Unterstützung gefragt, um den Reportern hinter Gittern zu helfen, ihre Haft zu ertragen.

Warum einen Journalisten oder eine Journalistin „adoptieren”?

Ziel der Patenschaften ist es, inhaftierte Journalisten aus einer weiteren Haft zu befreien – aus jener der Stille und des Vergessens. Wenn ihre Fälle nicht regelmäßig an die internationale Öffentlichkeit gebracht werden, bleiben die schuldigen Regierungen gleichgültig – denn dann haben sie keinen Grund, sich über das Schicksal der Journalisten in den Gefängnissen den Kopf zu zerbrechen. Eine Patenschaft wird so zu einer Art „Lebensversicherung”, die direkt zum Schutz der Häftlinge beiträgt.

Patenschaften tragen auch zur Fortsetzung jenes Einsatzes bei, der von dem inhaftierten Journalisten begonnen wurde. Wenn ein Pate über einen Journalisten hinter Gittern schreibt, über die Hintergründe seiner Verhaftung und die Themen, an denen der Journalist vor seiner Inhaftierung gearbeitet hat, umgeht er damit die Zensur, unter der sein Kollege litt, und zeigt die Ungerechtigkeit seiner Verhaftung auf. 

Die Entscheidung eines Mediums, einen Journalisten oder eine Journalistin zu „adoptieren”, demonstriert seinen Einsatz für die Verteidigung des Rechts auf freie Information. Eine solche Patenschaft ermöglicht es einem Journalisten, Solidarität mit einem Kollegen zu zeigen, der seine Arbeit mit derselben Leidenschaft wie er selbst tut.   

Die Aufgaben des Paten 

Eine Patenschaft zu übernehmen erfordert keinerlei finanziellen Beitrag, weder vom Paten selbst noch von seinem Arbeitgeber (bis auf den Platz für die Berichterstattung). Es geht vor allem um einen freiwilligen moralischen Beitrag des Paten. Die Verbindung zwischen Paten und „adoptiertem” Journalisten kann viele Jahre dauern – viele Journalistinnen und Journalisten verbüßen lebenslange Haftstraßen oder wurden zum Tode verurteilt.   Reporter ohne Grenzen verfolgt die Fälle der betroffenen Journalisten und versorgt den Paten regelmäßig mit aktuellen Informationen.

Der Pate selbst ist dazu aufgerufen, in folgenden Bereichen einen Beitrag zu leisten: 

1 – So oft wie möglich an den „adoptierten” Journalisten und seine Familie schreiben 

Briefe an inhaftierte Journalisten sind eine unschätzbare moralische Unterstützung. Abgesehen von der persönlichen Bindung, die sich durch den Briefwechsel ergibt, ergibt sich so auch ein Meinungsaustausch mit einem Berufskollegen, der dieselben Leidenschaften, Ideale und denselben Einsatz für die Wahrheit teilt. 

2 – Alle Ereignisse (offizielle Besuche, Wahlen oder Nationalfeiertage im betroffenen Land…) nutzen, um über den „adoptierten” Kollegen zu sprechen 

Menschenrechte kommen bei Staatsbesuchen kaum zur Sprache, und genau darum ist der Einsatz der Medien für die persönliche Freiheit auch so wichtig.  Regierungen, die Journalisten hinter Gitter stecken, fürchten die Auswirkungen der Medienberichterstattung über ihre Dissidenten. Artikel und Berichte über Menschenrechtsverletzungen tragen dazu bei, dass der Druck auf die politischen Führer steigt. Sie beugen sich oft dem Druck, um ihr Image im Ausland zu schützen. 

3 – Am jährlichen Tag der „Journalisten hinter Gittern” teilnehmen

Genau wie der Internationale Tag der Pressefreiheit am 3. Mai bietet auch der Tag der „Journalisten hinter Gittern” dem Paten die Möglichkeit, ihre Stimme für die Pressefreiheit zu erheben. Dieser Tag bietet sich auch dafür an, Artikel über den „adoptierten” Kollegen zu schreiben, und dem oft nicht wahrgenommenen Einsatz für die Menschenrechte einen Namen und ein Gesicht zu geben.   Die Paten bemühen sich, alles zu tun, um an diesem Tag die öffentliche Aufmerksamkeit auf jene Rechte zu lenken, die in unseren Demokratien allzu oft als selbstverständlich betrachtet werden. 

4 – Sich bei den Politkern und Behörden des Landes, das den „adoptierten” Journalisten hinter Gitter gebracht hat, für ihn einsetzen 

Der Pate kann gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen Briefe an die verantwortliche Regierung schicken, oder eigene Artikel und Briefe schreiben. Er kann außerdem Leser, Hörerinnen und Zuseher mobilisieren in dem er sie dazu auffordert, ebenfalls an die Botschaften der betroffenen Länder zu schreiben oder Petitionen für „ihren” Journalisten zu unterzeichnen.   

Und was bringt das alles? 

Seit Beginn der Kampagne 1989 wurden über 100 Journalistinnen und Journalisten „adoptiert”. Fast die Hälfte von ihnen wurde inzwischen freigelassen, was zum Teil auf den Einsatz der Paten zurückzuführen ist. So wurden 2006 etwa Fatimah Nisreen (Malediven) und Raul Rivero (Kuba) begnadigt. 

Am wichtigsten sind jedoch die Unterstützung für den Journalisten hinter Gittern und die Freundschaft, die sich durch den Briefwechsel entwickelt. Viele Journalisten haben nach ihrer Freilassung berichtet, wie wichtig es für sie war, nicht „völlig vergessen” zu sein. Die Beziehungen, die sich zwischen ihnen und ihrem Paten entwickelt haben, haben es ihnen ermöglicht, soziale Bindungen aufrecht zu erhalten, die ihnen die Kraft gegeben haben, die Haftbedingungen durchzustehen. 

Der Einsatz, den die Paten gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen aufbringen, ist nicht hoffnungslos. Selbst wenn er manchmal erfolglos erscheint, so wissen wir doch, dass die internationale Unterstützung für die betroffenen Journalisten eine wichtige psychologische Unterstützung bedeutet, und oft auch ihr Leben rettet. Schon dieser Erfolg stellt eine Sieg über autoritäre Regierungen und die Repressionen, die von ihnen ausgehen, dar.

Für nähere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Büro: 01/581 00 11; info[at]rog.at