Nach der Flucht des tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben
Ali soll eine Übergangsregierung Neuwahlen in Tunesien organisieren.
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die Interimsregierung auf, mit der
Politik Ben Alis zu brechen und endlich Meinungs- und Informationsfreiheit
zu respektieren. Der Weggang von Ben Ali müsse einen “vollständigen Bruch
mit den vorherigen Jahren der Repression” nach sich ziehen, erklärte
ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard.
Mit Ben Ali verließe ein “Feind der Pressefreiheit” das Land. Während seiner
23-jährigen Diktatur habe der Präsident keine kritischen Stimmen toleriert
und nicht gezögert, Oppositionelle und Dissidenten ins Gefängnis zu
schicken. Alle politischen Häftlinge müssten bedingungslos freigelassen
werden. Diese “starke Geste” sei nötig, damit die Bürger des
nordafrikanischen Landes und die internationale Staatengemeinschaft an eine
nahe demokratische Zukunft in Tunesien glauben könnten, so Julliard weiter.
Extrem besorgt ist ROG derweil über den Gesundheitszustand des
deutsch-französischen Fotografen Lucas Mebrouk Dolega. Der 32-Jährige wurde
am 14. Januar während der Proteste in der Hauptstadt von einem Schuss aus
einer Tränengasgranate am Kopf getroffen und lebensgefährlich verletzt. Der
Mitarbeiter der Fotoagentur “European Press Photo Agency” (epa), die auch
die deutsche Presseagentur dpa beliefert, wurde in das Krankenhaus “La
Rabta” in Tunis gebracht und einige Stunden später operiert. Am Vormittag
des 16. Januar wurde Dolega zunächst für tot erklärt: Das französische
Konsulat und die epa erklärten, der Fotograf wäre an seinen Verletzungen
gestorben. Am selben Abend korrigierte das Konsulat der dpa zufolge
allerdings seine Darstellung: Dolega lebe noch und sei in “kritischem
Zustand”, ließ eine Sprecherin verlauten.
ROG fordert die Aufklärung der genauen Umstände des Angriffs auf den
Fotografen und die Identifizierung der Täter. Auch in allen anderen Fällen
von Gewalt und Missbrauch durch Polizei- und Sicherheitskräfte während der
Demonstrationen der vergangenen Wochen müsste ermittelt und die Schuldigen
strafrechtlich verfolgt werden. Für eine Wiederherstellung des Rechtsstaates
in Tunesien nach 23 Jahren Diktatur sei die Aufarbeitung der Vorfälle
unumgänglich, so ROG.
Nach ROG vorliegenden Informationen sind inzwischen vier der seit Ende
Dezember 2010 festgenommenen Journalisten und Blogger freigelassen worden.
Nissar Ben Hassen, Mitarbeiter von “Radio Kalima”, Wissem Essghaier,
Mitglied der Jugendorganisation der Demokratischen Progressiven Partei und
Mitarbeiter der Parteizeitung “Al-Maouqif”, sowie die Blogger Slim Amamou
und Azyz Ammami wurden am Abend des 13. Januar aus der Haft entlassen.