Sicherheitspolitik versus Meinungsfreiheit in Europa

Sicherheitspolitik versus Meinungsfreiheit in Europa

Hochkarätig besetzte Expertenkonferenz anlässlich des 10. Jahrestages von 9/11

001_20110909_e2.jpg                              Fotocredit: Europ. Kommission – Vertr. Österreich/APA-Fotoservice/Preiss

„Nine Eleven and Europe – 10 Years of Security Policy versus Freedom of Expression” – so lautete der Titel der Konferenz am 9.September im Haus der Europäischen Union, die sich mit den Auswirkungen der Ereignisse um den  11. September 2001 auf die Pressefreiheit in Europa auseinandersetzte. Im Rahmen der Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen Österreich, der OSCE (Organisation for Security and Co-Operation in Europe), dem Presseclub Concordia und dem Medienhaus Wien diskutierten namhafte internationale Teilnehmer aus Politik und Journalismus über Sicherheitspolitik und Pressefreiheit in Europa. Der einstimmige Tenor: Neue Gesetzgebungen schränken die Medienfreiheit in der EU maßgeblich ein. Es besteht dringender Handlungsbedarf auf EU-Ebene.

Der 11. September 2001 veränderte den weltweiten Journalismus nachhaltig. Bei den hochkarätig besetzten Talks wurden Themen wie Sicherheitspolitik, Pressefreiheit und Gewalt gegen Journalisten diskutiert.

Zu den Statements der Vortragenden



Feindbild Journalist?

Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich betonte in ihren Begrüßungsworten vor allem die Kriminalisierung von Journalisten nach 9/11. „Aufgrund des subjektiven Gefühls einer Bedrohung kommen Sicherheit und Kontrolle durch die Regierung mehr Wichtigkeit zu als Bürgerrechte und Pressefreiheit. Unter dem Deckmantel der ‚Anti-Terrorismus-Politik’ werden Journalisten verstärkt überwacht – Telefone werden abgehört, E-Mail-Accounts kontrolliert.”, so Möhring. „Als Folge von 9/11 sehen sich Journalisten von der Politik als kriminalisierte Feindbilder dargestellt. Selbst demokratische Staaten vernachlässigen das Recht auf Meinungsfreiheit.”

9/11 neuer D-Day
9/11 ist der D-Day des 21. Jahrhunderts, so Möhring. „Der 11. September 2001 war der Beginn einer neuen Epoche, auch für das Berufsbild des Journalisten”, so Rubina Möhring. Die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich appellierte an NGOs und Regierungsorganisationen: „NGOs  müssen ihre Rolle als ‚Watchdogs’ in Sachen Menschenrechte und Pressefreiheit verstehen. Im selben Ausmaß sind staatliche und interstaatliche ‘Pressefreiheit-‚Watchdogs’ wie die OSCE für die Freiheit der Medien notwendig.”

Freiheit und Verantwortung statt Zensur durch Mord
Freimut Duve, der erste OSCE-Beauftragte für die Freiheit der Medien warnte in seiner Eröffnungsrede vor der Doppelmoral der Werbeindustrie: „Das Heranschleusen des Werbemarktes an den Journalistenberuf gefährdet die Medienunabhängigkeit – dieses gilt es zu erkennen, aufzudecken und in kritischen Fällen zu untersagen”. Er nennt Freiheit und Verantwortung nicht nur als die beiden Leitthemen seiner sechsjährigen Gründungsjahre im Amt als OSCE-Beauftragter für die Freiheit der Medien, sondern auch als notwendige Aufgabe von Organisationen wie Reporter ohne Grenzen. Dunja Mijatovic, die aktuelle OSCE-Beauftragte für die Freiheit der Medien ergänzte: „Meinungsfreiheit muss den gleichen Stellenwert haben wie die Sicherheit der Bürger.Unsere Aufgabe ist es, die Regierungen stets aufs Neue daran zu erinnern.”

EU und UNO riskieren Glaubwürdigkeit
„Als Antwort auf den 11.September hat die EU einige Maßnahmen getroffen, welche die Meinungsfreiheit einschränken”, so William Horsley von der Association of European Journalists. OSCE-Staaten gehörten zu den Regionen mit den meisten Aufzeichnungen von Gewalt gegen Journalisten weltweit. Die EU agiere ‚halbblind’, was das Menschenrecht der Meinungsfreiheit angeht. Nur sehr langsam reagiere man auf die sicherheitspolitischen Gesetze der letzten 10 Jahre, welche die Pressefreiheit einschränken. „Europäische Institutionen und die UNO riskieren eine Glaubwürdigkeitskrise, wenn sie es nicht schaffen, Gewalt gegen Journalisten einzudämmen und Straflosigkeit zu verbannen”, appellierte Horsley.

Russland: Gewalt gegen Journalisten
Nadezhda Azhgikhina, Mitglied der russischen Journalistenunion, weist auf die immer noch bestehenden Risiken für russische Journalisten hin: „Gewalt gegen Journalisten ist eines der schändlichsten Kennzeichen des neuen Russlands. Seit Anfang der 90er Jahre  waren Journalisten Teil von zwielichtigen Ermittlungen, verschwanden oder starben unter mysteriösen Umständen. Neue Gesetze, wie die Informationssicherheits-Doktrin und das Anti-Extremismus-Gesetz erschweren den Journalisten ihren Beruf. Gleichzeitig werden Fälle von Gewalt gegen Journalisten nicht sachgemäß ermittelt und selten bestraft.. Seit 1993 wurden über 330 Personen ermordet oder sind verschwunden”, so Azhgikhina.