Kritischer Journalismus darf nicht intransparenter Willkür ausgeliefert werden! Posted on 1. Juni 2025von Martin Wassermair Reporter ohne Grenzen lehnt Messenger-Überwachung ab Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung hat die österreichische Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der den Sicherheitsbehörden den Zugriff auf Messenger-Kommunikation ermöglichen soll. Völlig im Unklaren bleibt bisher die Frage, welche Spionagesoftware dafür vorgesehen ist und welche Kosten damit verbunden sind. Im Einklang mit namhaften Menschenrechts- und Datenschutz-Organisationen lehnt auch Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich das Vorhaben klar ab. „Nach aktuellem Wissensstand sind Transparenz und Kontrolle durch Justiz und Rechtsschutzbeauftragte überhaupt nicht gewährleistet“, zeigt sich ROG-Generalsekretär Martin Wassermair verärgert. Die Erfahrung mit vergleichbaren Überwachungsmethoden haben zudem aufgezeigt, dass insbesondere Journalistinnen und Journalisten von derart weitreichenden Grundrechtseingriffen betroffen sind. ROG-Präsident Fritz Hausjell stellt die Gefahren in einen größeren Zusammenhang. „Kritische und unabhängige Medien stehen angesichts der vielen Angriffe auf die Pressefreiheit ohnehin weltweit unter Druck. Es darf nicht sein, dass investigative Recherchen und diesbezüglich vertrauliche Informationen nun auch einer undurchsichtigen Willkür völlig ausgeliefert werden.“ Die Demokratie erfordert mehr denn je einen wehrhaften Journalismus, den die Regierungen auch durch adäquate Rechtsgrundlagen abzusichern haben. „Die geplante Messenger-Überwachung schafft nur Verunsicherung und neue Einschränkungen. Demzufolge lehnen wir den Gesetzesentwurf in der vorliegenden Fassung ab“, so Hausjell abschließend. (ROG 02-06-2025)
Machen wir Europa wieder zu einem Raum der verlässlichen Information! Posted on 27. Mai 202527. Mai 2025von Martin Wassermair RSF International und Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich fordern EU-Demokratieschild Vor dem Hintergrund geopolitischer Umwälzungen haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die militärische Aufrüstung des Kontinents zu einer Priorität erklärt. Ihre Hauptgegner investieren unterdessen in ein anderes Schlachtfeld. Manipulation von Fakten, staatliche Propaganda in den Medien, Desinformationskampagnen in den sozialen Netzwerken – alle Mittel sind recht, um die demokratischen Gesellschaften von innen heraus zu untergraben. Angesichts dessen erscheinen die Reaktionen der EU zu zaghaft. Es ist ein Ruck nötig, um Europa wieder zu einem Raum zu machen, in dem verlässliche Informationen und Journalismus Vorrang vor Lügen und staatlicher Propaganda haben. Die Informationsoffensive autoritärer Regime zielt darauf ab, die öffentliche Debatte zu kontrollieren, indem sie den Journalismus in ihrem Land unterdrücken, aber auch das Vertrauen in die demokratische Idee durch Manipulation von Informationen zu untergraben. Während Europa Panzer und Raketen für mehrere hundert Milliarden Euro kauft, sind China und Russland damit beschäftigt, digitale Troll-Regimenter aufzubauen, falsche „Journalistinnen“ und „Journalisten“ zu rekrutieren und die Ausstrahlung ihrer internationalen Medien zu fördern. Im Zeitalter des globalen Informationskrieges haben sich die Attribute der Macht verändert. Sie umfassen digitale Manipulationsoperationen, die soziale Netzwerke mit falschen oder verzerrten Inhalten überschwemmen. Sie beruhen auf der Fähigkeit der mit erheblichen Mitteln ausgestatteten internationalen Staatsmedien, die Vision ihrer Schutzmacht weltweit zu verbreiten. Schließlich gehen sie mit einer sehr gewaltsamen transnationalen Unterdrückung von Journalistinnen und Journalisten im Exil einher. Eine noch zaghafte Reaktion Seit März 2022 umfassen die vom Rat der Europäischen Union gegen Russland verhängten Sanktionen ein Verbot der Verbreitung bestimmter staatlicher Medien, darunter „Russia Today“ und „Sputnik“, im europäischen Informationsraum und gelten für eine Reihe von Unternehmen und Persönlichkeiten. Zahlreiche Studien weisen jedoch auf die mangelnde Durchsetzung dieser Sanktionen hin, insbesondere im Internet, wo die Inhalte dieser Medien für europäische Nutzerinnen und Nutzer nach wie vor weitgehend zugänglich sind. Die Realität sieht so aus, dass die EU Schwierigkeiten hat, die Regeln, die uns schützen sollen – in diesem Fall den Digital Services Act (DSA) –, den amerikanischen sozialen Netzwerken aufzuerlegen, die die wichtigsten Verstärker dieser böswilligen ausländischen Einmischungen sind. Die von der Europäischen Kommission eingeleiteten Untersuchungen dauern zu lange. In der Zwischenzeit überschwemmen Desinformationsprofis weiterhin die sozialen Netzwerke. Schlimmer noch, sie erklären sich offen feindlich gegenüber jeder Form der Inhaltsmoderation, wie beispielsweise „Meta“, das beschlossen hat, sein Fact-Checking-Programm im Jahr 2025 einzustellen. Die Falle falscher Äquivalenzen vermeiden Um ausländische Einmischung und Desinformation besser bekämpfen zu können, schlägt die Europäische Kommission nun die Einrichtung eines „Europäischen Demokratieschildes“ vor. Mit einer Voraussetzung: Die notwendige europäische Kommunikationsstrategie darf nicht dazu verleiten, der Versuchung strategischer Kommunikation nachzugeben; mit anderen Worten: Die schwarze Magie der Propaganda kann nur durch die weiße Magie des Journalismus bekämpft werden. Demokratien können diesen Informationskrieg gewinnen. Indem sie es vermeiden, in die Falle der falschen Gleichsetzung zu tappen, die die Feindinnen und Feinde des Journalismus stellen, indem sie auf Propaganda nicht mit mehr Propaganda reagieren und über das Fact Checking hinausgehen, ohne ihre Werte zu verleugnen. Dies umso mehr zu einem Zeitpunkt, wenn die Vereinigten Staaten sich aus der Welt zurückziehen und ihre historische Unterstützung für den Journalismus aufgeben. Im Informationsbereich muss Europa ebenso wie im Verteidigungsbereich seine eigene Autonomie aufbauen. Dabei kann es sich auf den Journalismus als vertrauenswürdigen Dritten stützen, nicht nur um propagandistische Einmischungen aufzudecken, sondern vor allem, um jedem Bürger die zuverlässigen Informationen zu liefern, die er benötigt, um sich in der Welt zurechtzufinden. Drei konkrete Schritte können dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Schützen, fördern, unterstützen Zunächst muss Europa Bedingungen für die Öffnung seines Informationsraums festlegen. Alle Medien aus Drittländern sollten sich bereit erklären, sich den Regeln des europäischen audiovisuellen Marktes zu unterwerfen, wenn sie Zugang zu diesem Markt erhalten möchten, insbesondere den Regeln in Bezug auf Unabhängigkeit, Ehrlichkeit und Pluralismus der Informationen. Das ist eine Frage des fairen Wettbewerbs, aber auch der Souveränität. Gegenüber autoritären Staaten sollte darüber hinaus der Grundsatz der Gegenseitigkeit gelten: Ein Land, das die Verbreitung europäischer Medien in seiner Bevölkerung nicht zulässt, sollte auch nicht berechtigt sein, seine eigenen Medien in der EU zu verbreiten. Außerdem müssen die wichtigsten digitalen Plattformen verpflichtet werden, zuverlässige Informationsquellen hervorzuheben, das heißt Medien, die nach journalistischen Standards arbeiten und hohen Transparenz- und Unabhängigkeitskriterien entsprechen, wie beispielsweise die „Journalism Trust Initiative“. Solange Plattformen ihr Wachstum und ihre Werbeeinnahmen über Qualität und Integrität der Inhalte stellen, wird die Desinformationsindustrie weiter florieren. Schließlich ist der weltweite Informationskrieg in vielerlei Hinsicht ein Krieg gegen diejenigen, die trotz schwieriger Umstände versuchen, uns zu informieren. Europa ist ein Zufluchtsort für viele ausländische Journalistinnen und Journalisten und Medien, die aufgrund ihres Berufs ins Exil gehen mussten. Sie sind potenzielle Akteurinnen und Akteure im Kampf gegen Desinformation und ausländische Einmischung, vorausgesetzt, dass die Aufnahmeländer sie vor transnationaler Repression schützen, ihre Wiederaufnahme der Tätigkeit fördern und ihnen helfen, die staatliche Zensur zu umgehen, um ihr Publikum zu erreichen. Für Europa ist es an der Zeit, dass es sich der Bedrohung seines demokratischen Modells voll bewusst ist – indem es dem Journalismus die Mittel an die Hand gibt, seine wesentliche Aufgabe zu erfüllen: die Bürgerinnen und Bürger zuverlässig, unabhängig und pluralistisch zu informieren. Thibaut Bruttin, Generaldirektor RSF International Fritz Hausjell, Präsident Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich Martin Wassermair, Generalsekretär Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich Der Text ist am 27. Mai 2025 in gekürzter Fassung in der Tageszeitung Die Presse erschienen.
Neues Buch: Medien und Haltung in Zeiten des Krieges Posted on 26. Mai 202526. Mai 2025von Martin Wassermair Wie können sich Medien differenziert und unabhängig verhalten, wenn Informationen in Kriegssituationen immer auch Mittel der militärischen Propaganda sind? Auf welche Weise lassen sich einer ungefilterten Darstellung von Tod und Zerstörung medienethische Grenzen setzen? Woran ist journalistische Verantwortung zu messen? Welche Haltung beziehen Film und Spieleindustrie? Martin Wassermair, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich, hat Anfang Mai 2025 mit “Unter weißer Flagge” ein Buch veröffentlicht, in dem er mit elf Persönlichkeiten aus Journalismus, Medienethik, Psychologie sowie Demokratie-, Migrations- und Konfliktforschung zu Krieg und Frieden im Spiegel der Medien des 21. Jahrhunderts diskutiert. Das Buch fokussiert keineswegs nur auf aktuelle Ereignisse und Entwicklungen (z.B. russische Aggression gegen Ukraine), sondern setzt Kriege unter den Voraussetzungen moderner Informationstechnologien in einen Zusammenhang mit den Erfordernissen von Unabhängigkeit und differenzierenden Darstellungen in der medialen Rezeption. Hier gilt das besondere Augenmerk auf Narrative in der Kriegsberichterstattung, die Wirkmacht der Bilder, mediale Selbstkontrolle, Medien als Instrumente der Kriegspropaganda, Journalismus für den Frieden, Konfliktbewältigung und mediale Früherziehung. Mit Beiträgen von Bernad Batinic, Elias Bierdel, Vedran Dzihic, Daniela Ingruber, Judith Kohlenberger, Nina Kusturica, Luis Paulitsch, Petra Ramsauer, Sabine Schiffer, Reiner Steinweg, Mirjana Tomic und Martin Wassermair. Das Buch ist erhältlich im ausgewählten Buchhandel sowie online beim Löcker Verlag. Buchpräsentation und Diskussion: Mittwoch, 28. Mai 2025, 18.00 UhrIIP – International Institute for Peace, Möllwaldplatz 5/7, 1040 Wien Es diskutieren: Martin Wassermair (Generalsekretär Reporter ohne Grenzen, Politikredakteur DORFTV) Judith Kohlenberger (Flucht- und Migrationsforscherin, WU Wien) Nina Kusturica (Regisseurin, Drehbuchautorin, Publizistin) Elias Bierdel (Journalist, Autor, Menschenrechtsaktivist) Moderation: Hannes Swoboda (Präsident des IIP, ehem. MEP)
Viktor Orbán will freie Presse völlig zugrunde richten Posted on 17. Mai 202517. Mai 2025von Martin Wassermair Reporter ohne Grenzen warnt die Europäische Kommission vor neuem Gesetzesentwurf des EU-Mitgliedslandes Ungarn Aktuell droht ein neuer Gesetzesentwurf in Ungarn all jenen Medien, die ausländische Finanzierungen erhalten, mit wirtschaftlichen Sanktionen, wenn sie sich nicht strikt an die rechtskonservative Agenda von Ministerpräsident Viktor Orbán halten. Für Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich, eine neuerliche und völlig untragbare Vorgehensweise zur Einschränkung der Pressefreiheit: „Die Regierungspartei Fidesz schiebt ihre Sorge um die nationale Souveränität nur vor, um kritischen Journalismus mundtot zu machen. Das erinnert an die Verhältnisse in Russland, wo Medien und NGOs gleichermaßen auf schwarze Listen gesetzt werden.“ „Der Gesetzesentwurf“, warnt auch Pavol Szalai, EU-Balkan-Verantwortlicher von RSF International, „stellt die unter Viktor Orbán ohnehin schwer in Mitleidenschaft geratene Unabhängigkeit der Medien in Ungarn vor eine tragische Wahl: entweder verstaatlicht werden oder verhungern.“ Die Forderung, die Pressefreiheit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen, richtet sich daher vorrangig an die Europäische Union. Ungarn liegt in der internationalen RSF-Rangliste 2025 auf Platz 68, der Trend weist auch weiterhin nach unten. „Viktor Orbán hat Journalistinnen und Journalisten als ‚Insekten‘ bezeichnet, die den ‚Winter überlebt‘ hätten. Damit macht er Stimmung für die Parlamentswahl 2026. Wir werden bis dahin alles daran setzen, dass Demokratie, Medienvielfalt und journalistische Unabhängigkeit bei unserem Nachbarn wieder einer besseren Zukunft entgegen blicken können“, so Hausjell abschließend. (ROG 17-05-2025)
Gaza: RSF verurteilt Drohungen der Hamas gegen von Israel bombardierte Journalist*innen Posted on 14. Mai 202514. Mai 2025von Martin Wassermair Mehrere Journalistinnen und Journalisten in Gaza, das seit über 18 Monaten Tag und Nacht von israelischen Streitkräften bombardiert wird, haben Reporter ohne Grenzen (RSF) berichtet, dass sie von der Hamas, die das palästinensische Gebiet regiert, bedroht werden. RSF solidarisiert sich mit den Journalistinnen und Journalistenin Gaza, verurteilt diese Einschüchterung und fordert den Schutz der Presse, die von allen Seiten angegriffen wird. Mehr Informationen unter: https://rsf.org/en/gaza-rsf-condemns-hamas-threats-against-journalists-bombarded-israel