Schwächung des Journalismus ist ein Anschlag auf die Demokratie – Reporter ohne Grenzen und RSF International warnen vor Gefahren der Pressefreiheit in Österreich und Europa

Die medienpolitischen Aussichten, die im Laufe der Regierungsverhandlungen von FPÖ und ÖVP immer deutlicher werden, beunruhigen jetzt auch das internationale Netzwerk von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich. Dessen Präsident Fritz Hausjell gab deshalb am Samstag, 8. Februar 2025, gemeinsam mit Thibaut Bruttin (Generaldirektor RSF International) und Pavol Szalai (Ressort EU/Balkan RSF International) eine Erklärung ab.

„Die angedrohten Kürzungen und eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen ORF aus dem staatlichen Budget würden erst recht auf den Finanzhaushalt zurückfallen“, erklärte Hausjell. „Derartig überbordende Einschnitte bedeuten weniger Abgaben und auch geringere Werbeeinnahmen!“. Mit ihrer aggressiven Stimmungsmache versuchen vor allem die Freiheitlichen, den Journalismus ganz allgemein zu schwächen. „Das kommt einem Anschlag auf die Demokratie gleich und untergräbt das Recht auf ausreichende Information der Menschen.“ Hausjell unterstrich zugleich noch einmal die Notwendigkeit einer unabhängigen Medienförderung, die an Qualitätskriterien gebunden ist. Er unterstütze daher die Idee eines Volksbegehrens, das diese Forderungen auf eine breite Basis stellen soll.

RSF-Generaldirektor Thibaut Bruttin ließ ebenfalls aufhorchen: „Österreich ist zurzeit eines der wichtigsten Kampfgebiete für die Zukunft des Journalismus.“ Er verwies aus Aktualitätsgründen auf Donald Trump, der kurz nach seinem Wiederantritt als US-Präsident die Medienlandschaft aus den Angeln heben will. Bruttins Kollege Pavol Szalai ergänzte mit der Darstellung zweier Entwicklungen innerhalb der EU, die den Journalismus immer weniger vor politischen Begehrlichkeiten schützen: „Einerseits erleben wir eine Diversifizierung der Medien auf der Grundlage privater Finanzierungen wie in Frankreich, den Niederlanden und der Tschechischen Republik. Andererseits übernimmt der Staat kurzerhand die Medienunternehmen wie in Ungarn, Polen und der Slowakei“. Die Hoffnung liegt nun auf dem europäischen Medienfreiheitsgesetz, das 2024 beschlossen wurde. Dieses bedeutsame Dokument regelt die Unabhängigkeit der Eigentümerschaft und darf sich keinesfalls als wertloses Papier erweisen. „Wir müssen in Österreich verhindern, dass Journalismus und Medien wie in Ungarn einem illiberalen Machtwechsel zum Opfer fallen. Dafür ist uns der Rückhalt von RSF International ganz besonders wichtig“, so Hausjell abschließend.

FPÖ bedroht Medienfreiheit #3

Was hat die österreichische Medienlandschaft unter einer FPÖ-geführten Regierung zu erwarten? Angesichts immer wiederkehrender verbaler Übergriffe von freiheitlichen Parteispitzen gegen den kritischen Journalismus wächst die Sorge vor einer zunehmenden Orbanisierung.

Der nichtkommerzielle Sender Radio Orange hat mit Martin Wassermair, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich, über die Aussichten unter einer FPÖ-geführten Regierung gesprochen.

Medienpolitik einer FPÖ-Regierung

Reporter ohne Grenzen 2025: Jetzt noch wachsamer für Demokratie und Medienfreiheit! – Martin Wassermair verstärkt die NGO als neuer Generalsekretär

Angesichts der aktuellen Weichenstellung in Richtung einer FPÖ-ÖVP-Regierung wächst die Sorge um Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit. Immer wieder macht Herbert Kickl mit Drohungen gegen kritische Stimmen und Andersdenke auf sich aufmerksam, die auch den kritischen Journalismus unter Druck setzen sollen. Der sich nun abzeichnenden Politikwechsel durch eine blau-türkise Koalition stellt das demokratische Gemeinwesen vor neue Herausforderungen: „Seit Jahren warnen wir vor illiberalen Verhältnissen wie in Ungarn unter Viktor Orbán“, erklärt Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich. „In den vergangenen Monaten haben wir uns umfassend darauf vorbereitet, einer Einschränkung von Informations- und Meinungsfreiheit mit noch größerer Wachsamkeit und stärkerer Stimme entgegentreten zu können.“

Eine finanzielle Zuwendung durch die Rückverteilung des Erbes von Marlene Engelhorn ermöglichte wichtige Schritte zur organisatorischen Weiterentwicklung von Reporter ohne Grenzen. Dazu zählt insbesondere die Einrichtung eines Generalsekretariats, das dem Engagement für Meinungspluralismus und Medienfreiheit gegenüber Politik, Medien und Öffentlichkeit zusätzliches Gewicht verleiht. Diese Aufgabe übernimmt mit Jahresbeginn 2025 Mag. Martin Wassermair. Der 53-jährige Politikwissenschaftler und Publizist ist seit langem an den Schnittstellen von Medien, Demokratie und Grundrechten tätig und leitet seit 2016 die Politikredaktion des Linzer Community-Senders DORFTV.

Mit neuen Compliance-Regeln und verbesserten Informationsleistungen für Mitglieder will Reporter ohne Grenzen Österreich größeres Bewusstsein und mehr Wirksamkeit erzielen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Rolle im internationalen Netzwerk der NGO. Die RSF-Zentrale in Paris setzt große Hoffnungen auf die österreichische Sektion, dass sie dem bedrängten Journalismus in den im Osten angrenzenden Nachbarländern als Sprachrohr aktiv zur Seite steht. „Wir blicken den schwierigen Zeiten mit Selbstbewusstsein entgegen. Demokratie und Pressefreiheit können sich auf Reporter ohne Grenzen allemal verlassen“, so Hausjell abschließend.

Reporter ohne Grenzen Deutschland feiert 30-jähriges Jubiläum – wir gratulieren!

Seit 1994 setzt sich Reporter ohne Grenzen (RSF) Deutschland für Presse- und Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt und für den Zugang zu Information ein. In den drei Jahrzehnten wurden zahlreiche Journalistinnen und Journalisten sowie auch prominente Persönlichkeiten in ihrem Kampf gegen Unterdrückung und Repression unterstützt.

Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich gratuliert zum 30-jährigen Jubiläum aus ganzem Herzen und freut sich auf die weitere Zusammenarbeit, die insbesondere in Zeiten illiberaler und totalitärer Entwicklungen in Europa und darüber hinaus einen noch größeren Stellenwert finden wird.

Anlässlich des Jubiläums haben internationale Journalistinnen und Journalisten sowie weitere prominente Persönlichkeiten Videobotschaften geschickt.

RSF startet “The Propaganda Monitor”, ein investigatives Projekt zur Geopolitik der Propaganda

Der Kampf gegen Propaganda und Desinformation steht im Zentrum des Engagements von Reporter ohne Grenzen (RSF) für zuverlässigen Journalismus – aus diesem Grund hat die Medienaufsichtsorganisation am 30. September 2024 “The Propaganda Monitor” ins Leben gerufen. Diese Multimedia-Plattform zielt darauf ab, die vielfältigen Gesichter und Taktiken hinter weltweiter Propaganda aufzudecken, das Verständnis der Öffentlichkeit für den Informationsraum zu fördern und ihr zu helfen, sich sicherer darin zu bewegen. Die erste Staffel ist der russischen Propaganda gewidmet.

Die Förderung von zuverlässigem Journalismus ist das beste Mittel gegen Desinformation und Propaganda. Die Fakten über die Täter und Taktiken hinter diesen Unwahrheiten offenzulegen, ist der einzige Weg, sie zu bekämpfen.

“The Propaganda Monitor” ist eine Initiative von RSF, die darauf abzielt, die Öffentlichkeit über die Mechanismen hinter Propaganda und Desinformation aufzuklären und diese zu bekämpfen. Das Projekt wird durch exklusive Beiträge internationaler Experten unterstützt.

Die erste Staffel wird sich auf russische Propaganda konzentrieren, insbesondere auf RT, ein russisches Staatsmedium, das eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Verbreitung kremltreuer Desinformation spielt.

“The Propaganda Monitor” zeigt auf, wie Propaganda entsteht, verbreitet und verändert wird. Es bietet auch konkrete Lösungen – sowohl für Entscheidungsträger als auch für die breite Öffentlichkeit – zur Bekämpfung von Propaganda, insbesondere von Inhalten, die journalistische Formate imitieren, um Ideologien zu fördern. Letztendlich strebt dieses Projekt danach, das Recht auf verlässliche Informationen zu wahren – ein Anliegen, das weltweit auf dem Spiel steht.

Der am 30. September gestartete “Propaganda Monitor”-Minisite wird regelmäßig mit neuen Recherchen, bedeutenden Interviews mit führenden Propaganda-Experten und Artikeln über berüchtigte Propagandisten aktualisiert.

„Der Start des Propaganda Monitors ist der Höhepunkt der Arbeit von Reporter ohne Grenzen im Kampf gegen alle Arten von Propaganda aus den autoritärsten Regimen der Welt, durch unser internationales Netzwerk. Obwohl sich die erste Staffel des Projekts auf die weltweite Propagandakampagne des Kremls konzentriert, ist RSF sich bewusst, dass dieses Phänomen nicht auf die Agenten von Wladimir Putin beschränkt ist. Unser Ziel, die Taktiken aufzudecken, die Propaganda verbreiten, steht im Mittelpunkt des RSF-Mandats: Sicherzustellen, dass jeder Bürger, egal wo auf der Welt, Zugang zu zuverlässigen, unabhängigen und pluralistischen Informationen hat. Die Untersuchungen, Interviews und Analysen des Propaganda Monitors über die Geopolitik der Propaganda werden das Fundament dieser Mission bilden.“ Thibaut Bruttin, Generaldirektor von RSF

Ein multimediales Projekt, “The Propaganda Monitor”, erweitert die Arbeit von RSF zum Verständnis der Geopolitik globaler Propaganda und zur Bekämpfung der Verbreitung von Desinformation, insbesondere solcher Inhalte, die journalistische Formate nutzen, um eine politische Ideologie zu fördern.

Die Plattform umfasst auch frühere RSF-Untersuchungen und -Analysen zur Propaganda, wie den Bericht über Alexander Malkevich, die Untersuchung, wie der Kreml Kriegs-“Korrespondenten” für den Einsatz in den besetzten Gebieten der Ukraine ausbildet, und wie RT seine Agenda in Afrika vorantreibt. Die Minisite wird regelmäßig mit neuen Inhalten aktualisiert, die von den internationalen Teams von RSF erstellt werden.

Das Projekt wird von einem Lenkungsausschuss internationaler Wissenschaftler geleitet:

Maxime Audinet, Frankreich

Maxime Audinet ist Experte für russische Politik. Mit einem Doktortitel in Politikwissenschaft und Slawistik ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strategieforschung der Militärschule des französischen Verteidigungsministeriums (IRSEM). Seine Forschung untersucht die Einflüsse auf die Außenpolitik autoritärer Staaten, mit einem besonderen Fokus auf die Akteure und Taktiken hinter Russlands Einflussnahme auf Informationen in ehemaligen Sowjetstaaten, Europa und Subsahara-Afrika. Er ist Autor eines Buches über den russischen Staatssender RT (“Un média d’influence d’État: Enquête sur la chaîne russe RT”). Im Jahr 2023 gründete er das CORUSCANT-Forschungskollektiv, das die Forschung über das heutige Russland neu denken will.

David Colon, Frankreich

David Colon ist Professor und Forscher an der Sciences Po Paris und Mitglied der Forschungsgruppe Internet, KI und Gesellschaft am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS). Als Spezialist für Mediengeschichte und Massenkommunikation ist er Autor zweier preisgekrönter Bücher: “Propagande”, Gewinner des Akropolis-Preises 2019 und des Jacques-Ellul-Preises 2020, und “La Guerre de l’information: Les États à la conquête de nos esprits”, Gewinner des Revue des Deux Mondes-Preises 2024, des Plume-Preises 2024 und des Corbay-Preises 2024. Als Experte setzt er sich stark für den Kampf gegen die Manipulation und Einmischung ausländischer Informationen (FIMI) ein.

Valdez Onanina, Senegal

Valdez Onanina ist Chefredakteur der französischsprachigen Redaktion von Africa Check, Afrikas führender unabhängiger Faktenprüfungsorganisation mit Sitz in Johannesburg, Südafrika, und Büros in Nairobi, Kenia und Lagos, Nigeria. Zuvor war er Journalist bei der senegalesischen Nachrichtenagentur Agence de Presse Sénégalaise (APS) und arbeitete mit mehreren Medien, darunter der Nachrichtenwebsite Jeune Afrique und Radio France Internationale (RFI).

Daniel Milo, Slowakei

Daniel Milo ist ein international anerkannter Analyst und Experte für den Schutz der Demokratie, mit besonderem Fokus auf die Bekämpfung von Desinformation, hybriden Bedrohungen und Extremismus. Als Experte für Desinformationsabwehr bei TechSoup Europe hat er mehrere Publikationen zu diesen Themen veröffentlicht oder mitverfasst, darunter eine Studie zur Verwundbarkeit von CEE-Ländern gegenüber russischem Einfluss, GLOBSEC-Trends, analytische Berichte, die die Verbindungen zwischen dem Kreml und rechtsextremen politischen Akteuren kartieren, sowie eine umfassende Analyse hybrider Bedrohungen in der Slowakei.

Rasa Nedeljkov, Serbien

Rasa Nedeljkov ist Programmleiter am Zentrum für Forschung, Transparenz und Verantwortlichkeit (CRTA), einer NGO, die sich für die Förderung von Transparenz, Verantwortlichkeit und demokratischer Regierungsführung einsetzt. Seine Arbeit bei CRTA besteht hauptsächlich in der Entwicklung von Programmen, um die Integrität von Informationen zu wahren, Desinformation zu bekämpfen und Propaganda sowie Informationsmanipulation entgegenzuwirken.

Vladimir Rouvinski, Kolumbien

Vladimir Rouvinski ist Professor am Fachbereich Politikwissenschaft der Universidad Icesi in Cali, Kolumbien. Vor seiner Tätigkeit bei Icesi im Jahr 2007 arbeitete er mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen in Russland, Japan und Kolumbien zusammen. Er hatte außerdem Forschungspositionen am Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington, DC, am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig, Deutschland, und an der Florida International University in Miami, FL, inne.

Dorka Takácsy, Ungarn

Dorka Takácsy ist Forscherin, die sich auf Desinformation und Propaganda in Mittel- und Osteuropa sowie Russland spezialisiert hat. Sie ist Gaststipendiatin des German Marshall Fund der Vereinigten Staaten und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für euro-atlantische Integration und Demokratie. Sie promoviert an der Corvinus-Universität in Budapest, wo sie die russische Desinformation über den Westen untersucht. Sie sammelte berufliche Erfahrungen im Europäischen Parlament, am Political Capital Institute in Budapest und an der National Defense University in Washington.

“The Propaganda Monitor” umfasst auch eine Sektion, die sich den RSF-Projekten widmet, die Propaganda direkt bekämpfen, wie das Svoboda-Satellitenangebot – das 4,5 Millionen Haushalten in der Russischen Föderation und 800.000 Haushalten in den besetzten Gebieten der Ukraine Zugang zu verlässlichen Informationsquellen bietet – und die Operation “Collateral Freedom”, die zensierte Medien über Spiegel-Websites entsperrt. “The Propaganda Monitor” steht im Einklang mit den RSF-Empfehlungen zur Bekämpfung ausländischer Einmischung im Informationsraum der Europäischen Union.